1. Wann wird ein Aufhebungsvertrag geschlossen?
Mit einem Aufhebungsvertrag können Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag einvernehmlich beenden. Anders als eine Kündigung kommt ein Aufhebungsvertrag daher nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers zustande. Die Vereinbarung ist zwingend in Schriftform abzuschließen (also mit handschriftlicher Signatur).
Ein Aufhebungsvertrag kann für beide Seiten Vorteile haben:
- Der Arbeitgeber muss nicht länger den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers beachten, denn dieser gilt bei freiwilliger Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht.
- Der Arbeitnehmer erhält wiederum als Gegenleistung häufig eine Abfindung. Auch kann beispielsweise vereinbart werden, dass der Arbeitgeber ein gutes Arbeitszeugnis ausstellt.
Ein Aufhebungsvertrag hat für den Arbeitnehmer aber auch erhebliche Nachteile. Da der Arbeitnehmer durch den Aufhebungsvertrag auf seinen Kündigungsschutz verzichtet, benötigt der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund mehr und muss auch nicht den Betriebsrat anhören. So wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oft erst möglich. Insbesondere gut geschützte Gruppen wie Schwangere und Schwerbehinderte können daher durch einen Aufhebungsvertrag übervorteilt werden. Zudem drohen oft auch sozialrechtliche Folgen, wie etwa Einbußen beim Arbeitslosengeld.
2. Wann kann ein Aufhebungsvertrag rückgängig gemacht werden?
Die Erfahrung zeigt, dass Arbeitgeber oft zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses drängen. Unterschreiben Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unter Druck, ist unter Umständen noch die „Aufhebung der Aufhebung“ möglich.
Dies sind die wichtigsten Konstellationen, in denen sich ein Aufhebungsvertrag rückgängig machen lässt:
Irrtum, Täuschung oder Drohung
Mitunter können Arbeitnehmer einen bereits abgeschlossenen Vertrag anfechten und diesen so aufheben (§§ 119 ff. BGB). Eine Anfechtung ist aber die Ausnahme und nur dann möglich, wenn ein gesetzlich anerkannter Anfechtungsgrund besteht.
Folgende Anfechtungsgründe kommen in Betracht:
- Oftmals teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bewusst falsche Tatsachen mit, damit dieser den Aufhebungsvertrag unterschreibt. Hierin kann eine arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) liegen, die den Arbeitnehmer zur Anfechtung berechtigt.
Beispiel: Der Arbeitgeber erklärt wahrheitswidrig, dass der Arbeitsplatz in der Zukunft ohnehin wegfalle oder der Betrieb schließe und ein Aufhebungsvertrag daher die einzige Lösung sei.Arbeitnehmer haben ab Kenntnis der Täuschung ein Jahr Zeit, um den Aufhebungsvertrag anzufechten. Erfahren Sie von der Täuschung nichts, beträgt die Frist zehn Jahre.
- Droht der Arbeitgeber mit Nachteilen, um den Arbeitnehmer zur Unterschrift zu drängen, kommt eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) in Betracht. Gedroht werden kann z.B. mit einer unberechtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung, Gewalt, einer Strafanzeige, einer unzulässigen Versetzung oder der Einstellung von Gehaltszahlungen. Reiner Zeitdruck ist aber grundsätzlich nicht ausreichend.
Die Drohung mit einer Kündigung ist besonders schwer zu bewerten. Wenn der Arbeitgeber tatsächlich kündigen könnte, darf er die Entlassung auch androhen.Die Anfechtungsfrist beträgt ebenfalls ein Jahr. Sie beginnt in dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage beendet ist, was meist spätestens mit Ende des Arbeitsverhältnisses der Fall ist. Die Höchstfrist liegt auch hier bei zehn Jahren. - War sich der Arbeitnehmer über den Inhalt oder das Ziel des Aufhebungsvertrages nicht im Klaren oder wollte er diesen überhaupt nicht unterschreiben, ist zudem an eine Anfechtung aufgrund eines Irrtums (§ 119 BGB) zu denken.
Beispiel: Der Arbeitnehmer dachte, er würde keinen Aufhebungsvertrag, sondern nur eine Empfangsbestätigung unterschreiben.
Hingegen reicht es nicht aus, dass der Arbeitnehmer von sich aus davon ausging, er könne ohnehin gekündigt werden und müsse deshalb in jedem Fall mit dem Ende seiner Beschäftigung rechnen.
Wer wegen eines Irrtums anfechten möchte, hat nicht viel Zeit: Die Anfechtung muss ab Aufdecken des Irrtums unverzüglich erklärt werden. Je nach Komplexität des Falls entspricht das meist wenigen Tagen. Die Höchstfrist von zehn Jahren gilt hier ebenfalls.
Abfindung nicht gezahlt u.ä
Arbeitnehmern kann aufgrund ihres Arbeits- oder Tarifvertrags ein Rücktrittsrecht zustehen. Ein Rücktritt macht den Aufhebungsvertrag ebenso rückgängig.
Sieht der Vertrag nicht schon ausdrücklich ein Rücktrittsrecht vor, kann auch eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers ein solches auslösen (§ 323 BGB). Klassischer Fall ist, dass der Arbeitgeber die Abfindung nicht oder unangemessen spät zahlt. Arbeitnehmer müssen ihrem Arbeitgeber aber zunächst eine angemessene Frist zur Zahlung setzen.
Ein Rücktritt kommt auch infrage, wenn sich Umstände ändern, die beide Parteien als Grundlage des Aufhebungsvertrages angesehen haben. Man spricht dann von einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).
Unter Druck unterschrieben bzw. unfair verhandelt
Das Bundesarbeitsgericht entschied jüngst, dass der Arbeitgeber bei Vertragsverhandlungen mit dem Arbeitnehmer das Gebot fairen Verhandelns zu beachten hat. Andernfalls kommt eine Auflösung des Aufhebungsvertrages in Betracht.
Das Gebot fairen Verhandelns kann insbesondere verletzt sein, wenn der Arbeitnehmer stark unter Druck gesetzt wird. Das ist beispielsweise in folgenden Fällen anzunehmen:
- Der Arbeitgeber nutzt aus, dass auf Seiten des Arbeitnehmers eine objektiv erkennbare körperliche oder psychische Einschränkung oder unzureichende Sprachkenntnisse vorliegen, z.B. wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit geschwächt ist oder den Inhalt des Aufhebungsvertrages sprachlich nicht verstehen kann.
- Der Arbeitgeber überrumpelt den Arbeitnehmer mit dem Aufhebungsvertrag und nutzt diesen Moment gezielt aus. Beispielsweise sucht der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während einer Krankheit zuhause auf und verlangt, dass er sofort den Aufhebungsvertrag unterschreibt.
Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist noch nicht gegeben, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt […]. Auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich […].
Eine Verhandlungssituation ist vielmehr erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht […]. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen […].
Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung).“
3. Was passiert bei einer Rückabwicklung des Aufhebungsvertrags?
Konnten Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag erfolgreich rückgängig machen, so wird ihr vorheriges Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Konditionen fortgesetzt. Sie werden also unverändert weiterbezahlt und müssen zur Arbeit erscheinen. Verweigert der Arbeitgeber ihnen den Zutritt, sind sie trotzdem zu bezahlen. Speziell die Anfechtung führt außerdem dazu, dass auch der Lohn für die Zwischenzeit rückwirkend zu zahlen ist.
Arbeitnehmer sollten aber bedenken, dass ihnen grundsätzlich auch keine Abfindung mehr zusteht. Eine ggf. bereits gezahlte Abfindung ist zurückzuzahlen.
4. Was müssen Arbeitnehmer beim Vorgehen gegen den Arbeitgeber berücksichtigen?
Wer einen Aufhebungsvertrag anfechten möchte, muss sich ggf. beeilen. Je nach Anfechtungsgrund haben Arbeitnehmer unterschiedlich viel Zeit (s.o.). In manchen Fällen müssen sie sogar „unverzüglich“ – also so schnell wie möglich – tätig werden und sollten sich daher zeitnah von einem Anwalt beraten lassen.
In einem möglichen Gerichtsprozess sind Arbeitnehmer beweispflichtig und müssen die Gründe beweisen, die sie zur Anfechtung bzw. zum Rücktritt berechtigen. Aufgrund dieser Tatsache empfiehlt es sich, alle Abmachungen möglichst umfangreich schriftlich festzuhalten. Auch sollten Arbeitnehmer Kollegen hinzuziehen, welche dann später vor Gericht als Zeugen auftreten könnten. So verringern sie Beweisschwierigkeiten, falls es zu einem Prozess kommen sollte.
5. Fazit
- Ein Aufhebungsvertag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beendet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich. Kündigungsschutzvorschriften müssen grundsätzlich nicht beachtet werden.
- Teilt der Arbeitgeber unwahre Tatsachen mit oder drängt er durch eine unzulässige Drohung zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags, können Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag mittels Anfechtung rückgängig machen.
- Arbeitnehmern können den Vertrag auch rückabwickeln, wenn der Arbeitgeber die vereinbarte Abfindung nicht oder nur unangemessen spät zahlt. Zunächst ist aber ggf. eine Zahlungsfrist zu setzen. Dasselbe kann gelten, wenn sich grundlegende Umstände nachträglich geändert haben.
- Der Arbeitgeber hat bei den Vertragsverhandlungen das Gebot fairen Verhandelns zu beachten. Andernfalls können Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag ebenfalls rückgängig machen.
- Nach erfolgreicher Rückgängigmachung des Aufhebungsvertrages wird der ursprüngliche Arbeitsvertrag fortgesetzt.