Im vorliegenden Fall ging es um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung aufgrund des Sammelns von Pfandgut während der Arbeitszeit. Hierbei geht es um die Annahme einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers* entgegen der Weisungen des Arbeitgebers.
1. Zum Sachverhalt
Die Beklagte, deren Angestellten unter anderem die Reinigungsarbeiten in einem Flughafengebäude ausführten, kündigte der Klägerin außerordentlich. Die Klägerin war bei ihr seit 1989 beschäftigt, zuletzt als Reinigungskraft in der Nachtschicht. Die Muttersprache der Klägerin ist Griechisch.
Grund für die Kündigung war, dass die Klägerin verbotswidrig Pfandflaschen im Flughafenbereich gesammelt habe.
Im Rahmen eines schon zuvor geschlossenen gerichtlichen Vergleichs einigten sich die Parteien auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Der Vergleichstext enthielt den Hinweis, dass es verboten sei, Pfandflaschen und Dosen einzusammeln, um das Flaschenpfand zu erhalten. Die Beklagte lege wegen der Weisungslage seitens der Auftraggeberin (Flughafen) Wert darauf, dass sämtliche Pfandgegenstände ebenso wie anderer Plastik- und Restmüll entsorgt werden sollten.
Hierauf stützte die Beklagte letztlich die Kündigung der Klägerin.
Das Verbot, im Flughafenbereich Pfandflaschen zu sammeln, fand sich auf einem von der Beklagten für ihre Mitarbeiter in deutscher und griechischer Sprache erstellten und der Klägerin bekannten Informationsblatt. Darin hieß es unter anderem: „Was ist zu tun, was ist verboten?
- herumstehende Pfandgegenstände sind unverzüglich und auf direktem Wege im nächsten Müllschiffchen zu entsorgen
- die Entnahme entsorgter Pfandgegenstände aus Müllschiffchen ist verboten
- das Sammeln von Pfandgegenständen – etwa in gesonderten Behältnissen wie Plastiktüten etc. – ist verboten
- das Aufbewahren gesammelter Pfandgegenstände auf dem Reinigungswagen, im Spind oder in/an anderen gesonderten Räumen/Plätzen ist verboten
- jedes Einlösen von Pfandgegenständen ist verboten
- jede Annahme oder Weitergabe von Pfandgegenständen an unberechtigte Dritte ist verboten Wann gilt das Verbot?
- vor, während und nach der Arbeitszeit sowie in Pausen“
Die Klägerin sammelte Ende Januar 2014, Mitte April 2015, Ende Oktober 2015 und Mitte Mai 2016 erneut Leergut auf dem Flughafengelände. In den beiden Fällen im Oktober 2015 und Mai 2016 tat sie dies während ihrer Arbeitszeit. Die Beklagte mahnte sie deshalb im Februar 2014, im April und November 2015 sowie im Mai 2016 ab.
Am 5. Juni 2016 fand der Sicherheitsdienst des Flughafens bei der Ausgangskontrolle wiederum eine Vielzahl von Pfandflaschen in der Handtasche der Klägerin sowie in einem Stoffbeutel und einer Plastiktüte, die sie mit sich führte. Die Klägerin gab an, sie habe die Flaschen gesammelt, weil sie Geld brauche.
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 15. Juni 2016 außerordentlich fristlos, mit Schreiben vom 17. Juni 2016 hilfsweise ordentlich zum 31. Januar 2017.
2. Rechtliche Grundlage
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Voraussetzung hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und Arbeitgebers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Bundesarbeitsgericht prüft dies in zwei Schritten: Es ist zunächst zu prüfen, ob
- der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit als wichtiger Grund geeignet ist und
- dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls – und unter Abwägung der Interessen beider des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers – jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.
3. Wirksames Verbot der Arbeitgeberin
Die Klägerin hat ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt, indem sie beharrlich – zumindest auch – während der Arbeitszeit auf dem Flughafengelände Pfandflaschen für eigene Zwecke sammelte. Dies hatte ihr die Beklagte wirksam verboten. Das Verbot hatte sie in billigem Ermessen als berechtigte Weisung aufgestellt.
Nachdem der Sicherheitsdienst die Klägerin mit 73 gesammelten Pfandflaschen zur Rede stellte, nannte sie Geldprobleme als Grund hierfür.
Die Weisung der Arbeitgeberin ist wirksam, weil sie sich auf das Pfandflaschensammeln (auch während der Arbeitszeit) bezog. Demnach sei es der Beklagten nicht zuzumuten, während der Erfüllung der Arbeitspflicht der Klägerin – den Reinigungsarbeiten – eine weitere Einnahmequelle zu eröffnen.
Nach dem Urteil ist es im Interesse der Beklagten, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung erfüllt und nicht nebenbei Pfandgut zur Pfandrückgabe aufliest. Das Weisungsrecht – Vorgabe des Beschäftigungsinhalts – steht lediglich der Arbeitgeberin zu, nicht aber der Arbeitnehmerin selbst. Diese kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Sammeln ihre Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt habe.
Dem steht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entgegen. Dieser kann etwa bei Fragen der Ordnung des Betriebs und dem Verhalten der Arbeitnehmer mitbestimmen. Ein Recht zur Mitbestimmung besteht allerdings nicht bei Weisungen des Arbeitgebers zur Erbringung der Arbeitsleistung und damit der Frage, ob das Leergutsammeln während der Arbeit untersagt ist.
Die Beklagte hatte verboten, dass Arbeitnehmer „vor, während und nach der Arbeitszeit sowie in Pausen“ auf dem Betriebsgelände der Flughafenbetreiberin Pfandflaschen sammeln. „Vor, nach der Arbeitszeit und in Pausen“ liegt aber die Freizeit des Arbeitnehmers. In dieser Zeit wird er auch nicht entlohnt. Auch wenn daher Teile der Regelung unwirksam sein dürften, ist dies nicht ausschlaggebend für das Bundesarbeitsgericht. Es reicht aus, dass die Klägerin während der Arbeitszeit ebenso Pfandgut aufsammelte und dies dem Verbot unterfällt.
4. Gerichtlicher Vergleich und Abmahnung vorausgegangen
Die Klägerin hat auch nach Abschluss aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 11. April 2013 Pfandflaschen – jedenfalls auch – während ihrer Arbeitszeit gesammelt. Dafür ist sie am 6. November 2015 und 20. Mai 2016 abgemahnt worden. Mit der Abmahnungvom November 2015 wurde ihr das Informationsblatt auch in griechischer Sprache übergeben. Die Abmahnung vom 20. Mai 2016 war überdies besonders eindringlich gestaltet. Sie endete mit den fettgedruckten und unterstrichenen Worten, es handele sich um die allerletzte Chance der Klägerin, ihr Verhalten zu überdenken und zu ändern. Dies entspricht der Anforderung daran, dass die letzte Abmahnung auf eine anstehende Kündigung beim nächsten Pflichtenverstoß hindeuten soll.
5. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten
Das Bundesarbeitsgericht prüft immer, ob die Kündigung auch verhältnismäßig war. Es begutachtet hierbei das Gewicht und die Auswirkungen einer Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen bis zur Kündigung ungestörten Verlauf. Mildere Maßnahmen wie ein Gespräch oder eine Abmahnung waren bereits vorangegangen. Folglich musste die Beklagte keine mildere Maßnahme als die Kündigung wählen.
6. Keine Unwirksamkeit wegen anderer Umstände
Wer am Prozess teilnimmt, den trifft das Risiko eines Rechtsirrtums grundsätzlich selbst. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner seinen Irrtum auch bei sorgfältiger Betrachtung nicht erkennen konnte. Dies war hier nicht der Fall.
Die Klägerin konnte sich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte die außerordentliche Kündigung nicht auf eine Straftat gegen das Vermögen stützte und möglicherweise weder der Beklagten selbst noch ihrer Auftraggeberin ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Unabhängig davon, ob auch eine Straftat verwirklicht wurde, kommt es nur auf die Bewertung nach dem Kündigungsrecht an. Entscheidend ist der Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und der mit ihnen verbundene Vertrauensbruch. Auch ist es nicht von Belang, ob das Leergut nur einen geringen Wert hatte. Auch nicht für die Klägerin war zu berücksichtigen, ob sie von einem Vermögensschaden der Beklagten oder der Flughafenbetreiberin ausging oder dass ihr Handeln nicht „verwerflich“ war.
7. Zusammenfassung
Auch bei geringen, aber ausdrücklich bekannten Pflichtverletzungen kann ein Grund zur außerordentlichen, also fristlosen Kündigung vorliegen. So lag es in diesem Fall. Die Klägerin wusste letztlich aufgrund Unterrichtung auf Deutsch und Griechisch (ihrer Muttersprache), dass das Pfandgutsammeln vor, während und nach der Arbeitszeit sowie in Pausen untersagt war. Weil sie beim Sammeln während der Arbeitszeit ertappt wurde, kommt es nicht darauf an, ob das Verbot für die anderen Zeiten (Freizeit der Arbeitnehmer!) unwirksam war. Die Kündigung erfolgte nach Abmahnung. Auch sonst stehen keine Interessen der Klägerin entgegen.
8. Bewertung
Dieses Urteil reiht sich fast nahtlos in die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu Leergut- und Pfandbonfällen (etwa Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.1990, Az.: 2 AZR 379/90 oder Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.09.2016, Az.: 2 AZR 848/15) als „Bagatellkündigungen“ ein.
Ausnahme war jedoch etwa die bundesweit durch Medien bekannt gewordene „Emmely-Entscheidung“, bei der zugunsten einer nicht eigene Pfandbons einlösenden Kassiererin in der Interessenabwägung die Kündigung für unwirksam erklärt wurde (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09).
Es beweist, dass eine Pflichtverletzung in diesem Zusammenhang, unabhängig von einem Schaden in Höhe von null, einem oder zwei Euro einen Kündigungsgrund bieten kann. Strafrechtlich gesehen dürfte der Hersteller bzw. Verkäufer das Eigentum an den regelmäßig vertriebenen Einheitspfandflaschen verlieren. Daher ist ein Diebstahl oder eine Unterschlagung gegenüber dem Eigentümer der Pfandflaschen, regelmäßig dem Käufer möglich; das gilt auch beziehungsweise gerade, weil das Pfandgut eingelöst werden soll (BGH-Beschluss vom 10.10.2018 – 4 StR 591/17).
Daher wird ein Diebstahl aber zu Lasten der Flughafenbetreiberin selbst ausscheiden. Das Abstellen allein auf die Pflichtverletzung aus dem Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll trotzdem genügen.
Zwar ist die Entscheidung nicht gerade ein Statement für ein Herz für Arbeitnehmer in finanzieller Notlage. Dies war aber nun einmal auch nicht zu erwarten. Es stellt sich natürlich die Frage, ob es schlichtweg „hart, aber fair“ ist. Das Bundesarbeitsgericht hat sich an die Regeln des arbeitgeberischen Weisungsrechts gehalten und demnach lag ein eindeutiger, wiederholter und wissentlicher Pflichtverstoß vor. Die Kündigung war rechtmäßig und so bleibt es bei der generellen Frage nach der Moral in derartigen prekären Arbeitsverhältnissen.
*Die maskuline Form soll im Folgenden stellvertretend für sämtliche Geschlechter stehen. Auf die Nennung weiterer Geschlechter wird jeweils aus Gründen der Lesbarkeit des Textes verzichtet.