Wer einen Arbeitsunfall erleidet, ist durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Doch wann
genau spricht man eigentlich von einem Arbeitsunfall und welche Ansprüche können Verletzte
geltend machen?
Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Fragen:
1. Was versteht man unter einem Arbeitsunfall?
Die Definition eines Arbeitsunfalls ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII.
- Nicht unter den Begriff des Arbeitsunfalls fallen damit Ereignisse, die nicht von außen auf den Versicherten einwirken. Wer also z.B. auf der Arbeit einen Schlaganfall erleidet, der hat
keinen Arbeitsunfall. - Der Unfall muss sich gerade infolge einer versicherten Tätigkeit ereignet haben.
Dazu gehören:
- Unfälle beim Ausführen der Arbeit, zum Beispiel beim Bedienen von Maschinen oder
beim Arbeiten auf einer Baustelle. Die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet, muss
also mit der Arbeit in Zusammenhang stehen. - Unfälle beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden
unmittelbaren Weges zur Arbeit und zurück. Man spricht in diesem Zusammenhang von
Wegeunfällen.
2. Besonderheiten bei Wegeunfällen
Bei Unfällen auf dem Weg von oder zur Arbeitsstelle oder während der Pausenzeiten ist oft
zweifelhaft, ob es sich tatsächlich um einen Arbeitsunfall handelt.
Erforderlich ist grundsätzlich, dass der Unfall sich auf direktem Wege von oder zur Arbeitsstelle
ereignet hat. Wer also einen Umweg macht, um Dinge zu erledigen, die mit der Arbeit nicht in
Zusammenhang stehen, der ist dabei nicht versichert. Das Gesetz lässt hiervon jedoch einige
Ausnahmen zu.
Versichert ist nach dem SGB VII auch:
- Wer einen abweichenden Weg nimmt, um eigene Kinder oder solche des Ehegatten/ Lebenspartners, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, zur Kita, Kindergarten usw. zu bringen oder sie dort abzuholen. Die berufliche Tätigkeit des Versicherten bzw. des Gatten/ Partners muss die auswärtige Kinderbetreuung erfordern.
- Wer von der weiter entfernten ständigen Familienwohnung zur Arbeit oder zurückfährt und in der Nähe der Arbeitsstelle auch noch eine Unterkunft hat.
- Wer einen Umweg macht, weil er mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug benutzt, etwa als Fahrgemeinschaft.
- Wer auf Veranlassung des Arbeitgebers Arbeitsgerät o.ä. für ihn transportiert und einen Umweg nehmen muss, um dieses z.B. abzuholen oder an anderer Stelle abzugeben (z. B. zur Reparatur).
Pausenunfälle können ebenfalls versichert sein. Voraussetzung ist hier aber, dass der dabei zurückgelegte Weg der Arbeit und nicht nur privaten Zwecken dient und dass sich der Unfall entweder im öffentlichen Raum oder auf dem Firmengelände ereignet.
Beispiele:
- Wer sich in der Mittagspause einen Pausen-Lunch kauft oder zum Mittagessen geht, ist unterwegs versichert. Wichtig ist aber immer, dass es sich wirklich um einen Wegeunfall handelt. So ist z.B. der Weg zu einer abseits des Firmengeländes liegenden Kantine versichert, wenn sich der Unfall im öffentlichen Verkehrsraum ereignet. Nicht aber ein Unfall
innerhalb der Kantinenräume und beim Essen in der Kantine selbst. Wer innerhalb der Kantine ausrutscht, mit den Stuhl umkippt, sich an heißem Kaffee verbrüht oder beim Essen mit dem Messer verletzt, ist nicht versichert. - Arbeitnehmer, die in der Mittagspause shoppen oder joggen gehen, sich privat mit Freunden treffen oder einen Spaziergang machen sind i. d. R. nicht gesetzlich unfallversichert. Solche Unternehmungen gelten als Privatangelegenheit. Ausnahmen sind dann möglich, wenn die Tätigkeit z.B. aufgrund einer besonderen gesundheitlichen Verfassung des Arbeitnehmers
oder aufgrund der Art seiner Tätigkeit einen arbeitskrafterhaltenden Zweck verfolgt. Einem Arbeitnehmer mit einem schweren Rückenleiden kann es z.B. ärztlich eigens verordnet sein, sich in der Mittagspause zu bewegen. Solches ist jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen. Diente der Gang mehreren Zwecken, so muss geprüft werden, ob der berufliche oder private Bezug dabei im Vordergrund stand.
3. Welche Ansprüche hat der Verletzte?
Liegt nach alldem ein Arbeitsunfall vor und ist dieser für einen Gesundheitsschaden des Versicherten ursächlich, so kann der Arbeitnehmer Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung geltend machen.
Das Sozialgesetzbuch spricht dabei ausdrücklich von „Gesundheitsschaden“. Unfallbedingte Schäden an Gegenständen sind also nicht versichert. Eine Ausnahme bildet die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels (z. B. Brille, Prothese).
Die Gesetzliche Unfallversicherung hat die Aufgabe, nach Arbeitsunfällen die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und ihn bzw.
seine Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.
Hieraus lassen sich unterschiedliche Ansprüche herleiten:
- Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation. Schmerzensgeld sieht das Gesetz dagegen nicht vor.
- Verletztengeld: Ist der Verletzte nach einem Arbeitsunfall arbeitsunfähig, so erhält er zunächst – wie bei anderen Erkrankungen auch – eine sechswöchige Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Ist er auch danach infolge des Unfalls noch weiter arbeitsunfähig oder befindet sich in einer Maßnahme der Heilbehandlung, die eine Ganztags-Beschäftigung nicht zulässt, so kann er so genanntes Verletztengeld beanspruchen. Es beträgt 80 Prozent seines Regelentgelts (Brutto-Gehaltes).
- Pflegegeld bzw. -leistungen bei schweren bleibenden Schäden
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Hilfen für behinderte Menschen bei Behinderungen als Folge des Unfalls.
- Rente: Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit nach dem Unfall für mehr als 26 Wochen um wenigstens 20 Prozent gemindert ist, haben auch Anspruch auf eine Rente. Wer komplett erwerbsunfähig wird, erhält zwei Drittel seines Jahresarbeitsverdienstes als Vollrente.
- Kommt der Versicherte durch den Arbeitsunfall zu Tode, so erhalten seine Angehörigen eine Hinterbliebenenrente.
4. Wer ist zahlungspflichtig?
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind in erster Linie die Berufsgenossenschaften bzw. die gesetzlichen Unfallkassen des Öffentlichen Dienstes. Die Ansprüche des Verletzten richten sich immer gegen die Berufsgenossenschaft, in der sein Arbeitgeber Mitglied ist und in die dieser einzahlt.
Jeder Wirtschaftszweig hat nach dem SGB VII seine eigene Berufsgenossenschaft, z.B. die BG Handel und Warenlogistik, die BG Holz und Metall oder die BG Nahrungsmittel und Gastgewerbe.
Ansprüche gegen den Arbeitgeber oder Kollegen, die für den Unfall (mit) verantwortlich waren, hat der Geschädigte dagegen in der Regel nicht. Diese sind gesetzlich weitgehend ausgeschlossen.
Ausnahmen gelten bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers und bei Wegeunfällen. In diesen Ausnahmefällen kann aber u.U. nicht nur Schadensersatz, sondern sogar Schmerzensgeld nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch geltend gemacht werden, das es nach dem SGB VII nicht gibt.
5. Richtiges Verhalten nach einem Arbeitsunfall
Wer einen Arbeitsunfall erlitten hat, der sollte seinen Arbeitgeber darüber informieren und sich von einem so genannten Durchgangsarzt, der von der Gesetzlichen Unfallversicherung eine besondere Zulassung hat, untersuchen und behandeln lassen. Dieser stellt fest, ob tatsächlich ein Arbeitsunfall vorlag und meldet diesen dann an die zuständige Berufsgenossenschaft.
Kommt der Versicherungsträger zu dem Schluss, dass ein Arbeitsunfall gegeben ist, erkennt er diesen durch Bescheid an. Anderenfalls lehnt er die Anerkennung ab. Gegen diesen Bescheid kann der
Versicherte Widerspruch einlegen. Wichtig ist die Einhaltung der hierfür geltenden Monatsfrist. Hat auch der Widerspruch keinen Erfolg, so bleibt dem Verletzten noch die Klage vor dem Sozialgericht.