Sie haben eine Kündigung erhalten? Aus Arbeitnehmersicht sind folgende Aspekte zu wissen beziehungsweise zu erfragen.
1. Schriftform
Jede Kündigung bedarf der Schriftform.
2. Zugang der Kündigung
Wann ist die Kündigung Ihnen zugegangen? Dies ist zunächst die wichtigste Frage, da man innerhalb von 3 Wochen nach Zugang Klage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen muss. Bei Verstreichen Lassen dieser Frist wird die Kündigung in aller Regel wirksam, ohne dass deren Gründe vom Gericht noch geprüft würden.
3. Kündigungsfrist
Ist die Kündigungsfrist nach Tarifvertrag, Arbeitsvertrag oder nach § 622 BGB eingehalten worden?
4. Sonderkündigungsschutz?
Besteht möglicherweise ein Sonderkündigungsschutz zum Beispiel als Schwerbehinderter, Betriebsrat oder während des Mutterschutzes oder der Elternzeit? Als Schwerbehinderter muss das jeweilige Integrationsamt der Kündigung zustimmen. Zudem ist der Arbeitgeber verpflichtet ein Präventionsverfahren vor der Kündigung durchzuführen. Ein Betriebsrat kann nur außerordentlich und nur mit Zustimmung des übrigen Betriebsrats gekündigt werden. Während der Elternzeit ist jede Art der Kündigung verboten und bedarf der Zustimmung der zuständigen Behörde. Maßgebend ist § 18 BEEG. Kündigungen während der Schwangerschaft sind nach § 9 MuschG unwirksam. Hier muss der Arbeitgeber zwingend spätestens 2 Wochen nach Schwangerschaft über diese informiert werden.
5. Betriebsratsanhörung?
Besteht ein Betriebsrat? Ohne ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung ist die Kündigung unwirksam. Hieran, gerade an der richtigen Art und Weise der Anhörung, scheitert eine Kündigung nicht selten.
6. Außerordentliche Kündigung
Liegt eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung vor? Bei einer außerordentlichen Kündigung kommt es nicht auf die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes an. Hier muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass er einen so wichtigen Grund für die Beendigung hatte, dass er noch nicht mal die Kündigungsfrist einhalten konnte. Zudem müsste er die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis dieser Gründe erklärt haben. Gerade wegen der Gefahr einer Sperrzeit beim ALG I Bezug lohnt sich eine Klage gegen eine außerordentliche Kündigung fast immer.
7. Anwendbarkeit Kündigungsschutzgesetz?
Wie viele Arbeitnehmer arbeiten in Ihrem Betrieb und wie lange sind Sie dort beschäftigt? Das Kündigungsschutzgesetz findet nur Anwendung bei einer 6 monatigen Beschäftigung und gilt nur in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ausnahme sind hier Beschäftigungsverhältnisse vor dem 01.01.2004. Hier reichen nur 5 Arbeitnehmer. Nur wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, braucht der Arbeitgeber überhaupt einen rechtfertigenden Grund für seine Kündigung. Wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, reicht die Einhaltung der Kündigungsfrist.
Eine Kündigungsschutzklage innerhalb der ersten 6 Monate oder in einem kleineren Betrieb, lohnt sich nur, wenn man beweisen kann, dass die Kündigung diskriminierend nach dem AGG ist, gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstößt oder sittenwidrig ist.
8. Kündigungsgründe
Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, ist eine wirksame Kündigung für den Arbeitgeber in vielen Fällen schwer. Er muss darlegen und beweisen, dass einer der oben genannten Gründe die Kündigung rechtfertigt. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber Ihnen einen Pflichtenverstoß beweisen. Zudem muss die Kündigung verhältnismäßig sein. Hierfür sind in der Regel einschlägige, das heißt denselben Sachverhalt betreffende, Abmahnungen nötig. Für eine betriebsbedingte Kündigung muss der Arbeitsplatz im Unternehmen weggefallen sein und die Sozialauswahl unter vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss korrekt sein. Hauptanwendungsfall von personenbedingten Kündigung sind krankheitsbedingte Kündigungen. Diese scheitern in der Regel daran, dass der Arbeitgeber eine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft nicht darlegen und beweisen kann. Zudem muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement versucht haben.
9. Weiterbeschäftigung oder hohe Abfindung?
Und die wichtigste und oft schwerste Frage zum Schluss: Was möchten Sie: Eine Abfindung oder Weiterbeschäftigung? Entgegen einem weit verbreitetem Irrglauben, kann man in der Regel nicht direkt auf eine Abfindung klagen, sondern nur auf Weiterbeschäftigung. Ungefähr einen Monat nach Eingang der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht findet dann ein so genannter Gütetermin beim Arbeitsgericht statt. Dieser Termin dauert in der Regel 10 Minuten. Er hat nur einen Sinn: Das Gericht fragt, ob die Parteien sich vergleichen möchten. Oft ist der Richter dabei nicht ohne Eigeninteresse, da er durch eine Weiterführung des Verfahrens mit anschließendem Urteil ein Vielfaches an Arbeit hat. Hier kommen dann Abfindungen ins Spiel. Der Arbeitgeber muss befürchten, dass, wenn er den Prozess verliert, dem Arbeitnehmer die gesamte Zeit während der Prozessdauer (kann erstinstanzlich auch mal 1 Jahr dauern) nachbezahlen zu müssen ohne die gesamte Zeit die Arbeitsleistung erhalten zu haben. Zudem hätte er dann wieder ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer, welches er doch gerade beenden wollte. Aus diesem Prozessrisiko heraus werden Abfindungen angeboten.
Üblich, aber keineswegs zwingend, ist eine Abfindung nach der Formel
Bruttomonatsverdienst x 0,5 x Beschäftigungszeit in Jahren.
Dies wird zwar bei Kündigungen, die klar unwirksam sind oder an deren Wirksamkeit erhebliche Zweifel bestehen oft von Richtern vorgeschlagen, aber es herrscht absolute Vertragsfreiheit. Man könnte sich theoretisch auf 1 Euro oder 1 Million einigen, wenn beide Parteien zustimmen. Daher ist mein größter Tipp, mit einer internen klaren Untergrenze in die Verhandlung zu gehen und sich nicht von der Gerichtshektik verunsichern zu lassen. Auch wer eine Abfindung will, muss aus Prozesstaktik natürlich immer signalisieren, dass er kein Problem damit hätte, weiter für seinen Arbeitgeber zu arbeiten. Ansonsten sieht dieser keinen Grund dafür, eine hohe Abfindung zu zahlen. Sollte man sich auf eine Abfindung vergleichen, werden von dieser immer noch Steuern, nicht aber Sozialversicherungsbeiträge abgezogen. Faustformel ist, dass ungefähr ¾ bei Ihnen verbleiben. Zudem sollte, wegen der Gefahr einer Sperrzeit, immer noch der Beendigungsgrund mitgeregelt werden. Überdies hinaus sollte in der Regel auch die Zeugnisnote Teil des Vergleichs sein.
Wer für sein Arbeitsverhältnis weiter kämpfen will und das machen leider zu wenige, muss noch ein zweites Mal vor Gericht, zum so genannten Kammertermin einige Monate nach dem Gütetermin. Dort heißt es dann alles oder nichts, zumindest, wenn man sich nicht in diesem Termin noch einigen sollte. Wenn man gewinnt, kann man, selbst wenn der Arbeitgeber in Berufung geht, eine bezahlte Weiterbeschäftigung kurze Zeit nach dem Urteil durchsetzen.