Im Arbeitsrecht ist vielfach von Tarifverträgen oder der so genannten Tarifbindung die Rede. Oft hört man auch Begriffe wie Flächen- oder Rahmentarifvertrag. Doch was genau ist darunter zu verstehen? Wie werden solche Verträge geschlossen und für wen gelten sie?
Wir geben einen Überblick.
1. Was ist ein Tarifvertrag?
Der Tarifvertrag ist im Tarifvertragsgesetz (TVG) geregelt. Nach dem Gesetzeswortlaut legt der Tarifvertrag die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien fest und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. So werden insbesondere die vom Arbeitgeber zu zahlenden Gehälter, aber z.B. auch Urlaubsanspruch und Wochenarbeitszeit usw. häufig durch Tarifverträge geregelt.
Im Unterschied zu einem Einzel-Arbeitsvertrag, den ein Arbeitnehmer mit einem Arbeitgeber abschließt, wird ein Tarifvertrag für eine Vielzahl von Arbeitnehmern kollektiv und für einen festgelegten Zeitraum geschlossen. Dies erfolgt zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeber bzw. einer Arbeitgebervereinigung. Nach § 2 TVG können auch Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) solche Verträge schließen, wenn sie hierzu von den Einzel-Verbänden bevollmächtigt wurden.
Durch Tarifverträge wird regelmäßig zugunsten der Arbeitnehmer von den gesetzlichen Mindeststandards des Arbeitsrechts abgewichen. Diese haben für die Parteien des Arbeitsverhältnisses aber auch eine Schutzfunktion, denn die Position des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber wird durch sie gestärkt. Für die Dauer ihrer Laufzeit sollen Tarifverträge für Frieden im Arbeitsverhältnis sorgen und Arbeitskämpfe verhindern.
2. Unterarten des Tarifvertrages
Je nach ihrem Regelungsinhalt und den beteiligten Tarifparteien unterscheidet man verschiedene Unterarten des Tarifvertrages. So regelt ein Vergütungstarifvertrag nur Gehaltsfragen. Ein so genannter Rahmen- oder Manteltarifvertrag enthält demgegenüber eine Reihe weiterer längerfristig geltender Ausgestaltungen des Arbeitsverhältnisses. Dazu können zum Beispiel besondere Kündigungsvoraussetzungen gehören, Regelungen zu den Arbeitszeiten (etwa Schichtarbeit), besondere Einstellungsbedingungen, Probezeiten usw. Rahmentarifverträge haben in der Regel eine deutlich längere Laufzeit als reine Gehaltstarifverträge.
Je nach den vertragschließenden Parteien unterschiedet man zwischen
- Haustarifverträgen, Firmen- oder Konzerntarifverträgen, die ein einzelner Arbeitgeber oder Konzernchef mit einer Gewerkschaft schließt sowie
- Verbands- und Flächentarifverträgen. Letztere schließt eine Gewerkschaft mit einem Arbeitgeberverband ab. Sie gelten dann für alle Unternehmen, die diesem Verband angehören.
Für Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes gelten besondere Tarifverträge: Für den Bund und die Kommunen der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD), für die Länder deren jeweilige Tarifverträge (TV-L). Mehr dazu finden Sie hier.
3. Wie und von wem werden Tarifverträge geschlossen?
Tarifverträge können nur von Organisationen abgeschlossen werden, die tariffähig sind. Hierfür gelten bestimmte Standards.
So müssen Gewerkschaften
- auf Dauer angelegt sein. Sie dürfen also nicht nur kurzfristig gebildet werden, um etwa Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen,
- sich freiwillig ohne staatlichen Einfluss zusammengeschlossen haben.
- gegnerfrei sein, d.h. nicht etwa auf Initiative des Arbeitgebers gebildet oder von diesem abhängig sein.
- ausreichend mächtig sein, d.h. hinreichend durchsetzungsfähig und in der Lage, Arbeitskämpfe zu führen.
- ihrer Satzung nach zum Abschluss von Tarifverträgen befugt, das heißt tarifzuständig sein und auch willens sein, solche zu schließen. Die Satzung kann dabei vorgeben, für welchen Personenkreis und in welchen Geltungsbereich die Organisation Tarifverträge schließen darf. Sie muss sich dann innerhalb dieses Rahmens halten.
Nicht tariffähig wäre demnach z.B. ein loser, unorganisierter Zusammenschluss von einigen Dutzend Arbeitnehmern, die nicht sozial mächtig und dadurch nicht in der Lage sind, auf den Arbeitgeber Druck auszuüben. Auch Betriebsräte von Unternehmen sind nicht tariffähig.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch das so genannte Tarifeinheitsgesetz. Es legt fest, dass im Kollisionsfall in einem Betrieb nur der von der mitgliederstärksten Gewerkschaft ausgehandelte Tarifvertrag für alle Beschäftigten gilt. Der Einfluss kleiner Spartengewerkschaften (z.B. Lokführer, Piloten) wird dadurch deutlich geschwächt. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings entschieden, dass der Gesetzgeber bis Ende 2018 Vorkehrungen dagegen treffen muss, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden. Bis dahin werden Tarifverträge kleinerer Gewerkschaften nur dann verdrängt, wenn plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Belange der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Im Streitfall müssen die Gerichte hierüber befinden.
4. Wer ist durch einen Tarifvertrag gebunden?
Grundsätzlich fallen unter die unmittelbare Tarifbindung zunächst einmal alle, die der vertragsschließende Gewerkschaft bzw. dem Arbeitgeberverband angehören. Diese Tarifwirkung ist in der Regel zwingend, d. h. der Arbeitsvertrag darf vom Tarifvertrag nicht abweichen. Ausnahmen in engen Grenzen regelt § 4 TVG. Dort heißt es: „Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.“
Doch auch für Nicht-Mitglieder von Gewerkschaft oder Arbeitgeberverband kann ein Tarifvertrag gelten. Dies ist entweder der Fall, wenn ihr Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag Bezug nimmt oder wenn dieser für allgemeinverbindlich erklärt wurde:
- Oftmals wird in einem Einzel-Arbeitsvertrag auf einen bestimmten Tarifvertrag verwiesen, auf ihn Bezug genommen. Dessen Regelungen finden dann auf die vertragschließenden Parteien Anwendung, egal ob der Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied und der Arbeitgeber im Arbeitgeberverband ist. Da in diesem Fall keine unmittelbare Tarifbindung besteht, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber auch einzelne Regelungen treffen, durch die sie vom Tarifvertrag abweichen.
- Ein Tarifvertrag kann auch durch das Bundesministerium für Arbeit für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Davon wird oft Gebrauch gemacht, um die Konditionen und Löhne für die Beschäftigten einer Wirtschaftsbranche zu vereinheitlichen. Das Ganze geschieht im Einvernehmen mit einem aus Vertretern von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien.
Ist ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden, so gilt er nicht nur für Mitglieder der Gewerkschaft und des Arbeitgeberverbandes, die ihn geschlossen haben, sondern auch für Nichtmitglieder.
Auch in diesem Fall ist die o. g. Tarifbindung zu beachten, d. h. es darf nicht oder nur in den engen Grenzen des § 4 TVG vom Tarifvertrag abgewichen werden.
5. Häufiger Streitpunkt: Die Eingruppierung in Entgeltgruppen
Bei vielen Beschäftigten richtet sich das Gehalt nach der Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe. Dies gilt in tarifgebundenen Unternehmen oder wenn der Arbeitsvertrag des betreffenden Mitarbeiters auf einen entsprechenden Tarifvertrag verweist. Über die Frage der richtigen Eingruppierung oder Einstufung kommt es häufig zum Streit.
Die Eingruppierung richtet sich insbesondere nach der Ausbildung und den Aufgaben des Mitarbeiters. Nach dem Entgeltrahmenvertrag der Metall- und Elektroindustrie (ERA) erfolgt zum Beispiel eine Einstufung in eine von zumeist 11 Entgeltgruppen. Nach der Probezeit erhält der Beschäftigte neben dem Grundentgelt gemäß seiner Eingruppierung zusätzlich noch eine tariflich vereinbarte Leistungszulage bzw. ein Leistungsentgelt.
Maßgeblich für die Eingruppierung sind die Anforderungsmerkmale der jeweiligen Stelle:
- Wissen, Kenntnisse und Erfahrungen des Mitarbeiters,
- Aufgabenbereich (Handlungsspielraum, Entscheidungsbefugnisse, Verantwortung),
- Kooperations- und Kommunikationserfordernisse (Einholen und Austausch von Informationen) und
- die Frage, ob der Betreffende Mitarbeiter zu führen hat.
Wenn Sie Ihrer Meinung nach zu niedrig eingruppiert worden sind bzw. sich Ihr Aufgabenbereich so geändert hat, dass Ihrer Ansicht nach eine Höhergruppierung erfolgen müsste, prüft Rechtsanwalt Fink Ihre Eingruppierung für Sie.
Eine zu niedrige Eingruppierung können Sie in einem besonderen Verfahren nach ERA reklamieren, d.h. beanstanden und eine Höhergruppierung beantragen. Wir helfen Ihnen dabei, dies hieb- und stichfest zu begründen. Wird Ihre Höhergruppierung abgelehnt, so können wir für Sie auch eine Klage auf korrekte Eingruppierung (Eingruppierungs-Feststellungsklage) erheben.
Rechtsanwalt Tim Fink ist Experte für Tarifrecht und hilft Arbeitnehmern und Betriebsräten bei der Wahrung ihrer Rechte. Er war mehrere Jahre in verschiedenen Positionen für die IG Metall tätig und hat aus dieser Zeit eine herausragende Kenntnis aller tarifrechtlichen Fragestellungen.
Er unterstützt nicht nur bei der Aushandlung von Tarifverträgen, sondern berät auch umfassend zu Fragen der Tarifbindung und deren Beendigung, zur Eingruppierung oder zu Möglichkeiten eines Tarifwechsels, z. B. bei Umstrukturierungen.
Bei drohenden oder bereits ausgesprochenen Kündigungen prüft Rechtanwalt Fink, ob dabei besondere tarifvertragliche Kündigungsvoraussetzungen zu beachten waren und eingehalten wurden.