Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2018 – Dienstreisen ins Ausland – Vergütung
Inhaltsübersicht
Einstieg – Checkin
Dienstreisen werden immer häufiger. Arbeitgeber* lassen Arbeitnehmer für sich ins Ausland reisen, um dort Aufträge abzuwickeln.
Mit den Worten der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Dienstreise vor, wenn Beschäftigte aus beruflichen Gründen vorübergehend außerhalb ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte und außerhalb ihrer Wohnung tätig sind (BAG, Beschluss vom 14.11.2006 – 1 ABR 5/06 und 5 2). Keine Dienstreise, sondern eine Entsendung besteht, wenn die Dienstreise länger als drei Monate andauert und der auswärtige Einsatzort zur neuen regelmäßigen Arbeitsstätte wird.
Neben unterschiedlich zu beantworteten Fragen der Versicherung – empfehlenswert ist etwa der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung – interessiert insbesondere, ob die Reise zum Einsatzort wie Arbeitszeit vergütet wird. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu in einem Urteil Position bezogen.
Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer ist bei der Beklagten, einem Bauunternehmen, als technischer Mitarbeiter beschäftigt. Laut seinem Arbeitsvertrag ist er verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Der Arbeitsvertrag sieht eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer kostenfrei zur Arbeitsstelle zu fahren oder ihm 0,20 € pro Streckenkilometer zum Arbeitsort als Fahrtkostenabgeltung zu zahlen.
Vom 10. August bis zum 30. Oktober 2015 wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber auf eine Baustelle nach Bengbu (China) entsandt. In einem hierfür geschlossenen Vertrag finden sich Regelungen zur Vergütung während der Dauer des Einsatzes, insbesondere zu Verpflegungsmehraufwand, Unterkunfts- und Reisekosten, nicht aber zur Vergütung von Reisezeiten. Auf Wunsch des Klägers buchte die Beklagte für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai. Die Differenzflugkosten sollte der Kläger tragen, wenn eine gerichtliche Klärung nichts anderes ergäbe. Der klagende Arbeitnehmer verlangte nun die Vergütung seiner Reisezeit, die er auf Flügen in der Business Class verbrachte.
Auslandsreisen für den Arbeitgeber
Im gegenständlichen Urteil ging es um eine Reise, die wegen einer vorübergehenden Entsendung zur Arbeit ins Ausland erforderlich war.
Dienstreisen ins Ausland sind uneigennützig und damit jedenfalls dann zu vergütende Arbeit, wenn sie allein im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und untrennbar mit der Arbeitsleistung nach dem Arbeitsvertrag verbunden sind. Wie die Fahrt des Arbeitnehmers zu und von einer inländischen auswärtigen Arbeitsstelle – also einer Arbeitsstelle, die nicht am Ort des Betriebes gelegen ist – gehören für den Kläger Hin- und Rückreise bei der vorübergehenden Entsendung ins Ausland zu den vertraglichen Hauptpflichten. Die erforderliche Reisezeit ist zu entlohnen.
Grundsätzlich gilt nach dem Arbeitszeitgesetz nichts anderes. Zwar kann eine spezielle, abweichende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Vergütung der Reisezeit getroffen werden. In diesem Fall hatten beide aber keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht. Außerdem lag auch kein Tarifvertrag vor, der für die Regelung im Bereich der Dienstreisen in der Baubranche etwas anderes vorsah.
Wahl der Flugreiseroute
Der Arbeitnehmer in diesem Fall war für die Dienstreise nach China auf einen Flug angewiesen. Dem Gericht stellte sich die Frage, ob die Reisezeiten mit dem Flugzeug erforderlich waren.
Für die Erforderlichkeit von Reisezeiten gelten folgende Grundsätze:
- a) Gibt der Arbeitgeber Reisemittel und -verlauf vor, ist diejenige Reisezeit erforderlich, die der Arbeitnehmer benötigt, um hieran ausgerichtet das Reiseziel zu erreichen.
- b) Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl von Reisemittel und/oder Reiseverlauf, ist der Arbeitnehmer gehalten, Rücksicht auf die Interessen seines Arbeitgebers zu nehmen. Dies bedeutet, dass er bei mehreren zur Wahl stehenden Verkehrsmitteln das jeweils günstigste wählen soll. Es ist Sache des Arbeitgebers, zu beweisen, dass der vom Arbeitnehmer gewählte Weg nicht der direkte oder kostengünstigste ist.
Bei einer Flugreise ist deshalb die Reisezeit erforderlich, die bei einem Direktflug in der
Economy-Class anfällt, sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist.
Der Kläger ließ in diesem Fall aber auf eigenen Wunsch einen Umweg über den Zwischenstopp Dubai buchen. Es bestanden keine Anhaltspunkte, dass er erwarten konnte, dass sein Arbeitgeber diesen Umweg vergüten würde. Aus dem Urteil ergibt sich folglich, dass dem Arbeitnehmer keine Vergütung für die zusätzliche Zeit, die ihn der Stopp kostete, zusteht. Diese fiel nicht unter die erforderliche Arbeitszeit.
Das „Kofferpacken und Duschen“ etwa gehört unbestritten nicht zur Arbeitszeit einer Dienstreise. Nach dem Bundesarbeitsgericht gilt aber die Zeit, die für den Weg zum Flughafen, den Check-In und das Warten auf die Koffer verwendet wird, als zu entlohnende Arbeitszeit.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer gehalten gewesen wäre, einen kostengünstigeren Direktflug ins chinesische Bengbu ohne den Umweg über Dubai zu wählen. Nur die Dauer des Direktflugs ist zu vergüten, nicht aber Vorbereitungshandlungen.
Fazit
Im Grundsatz ist die Anreise zu einer anderen als der üblichen Arbeitsstelle gesondert zu vergüten. Dies gilt insbesondere für Dienstreisen ins Ausland. Allerdings ist dies nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer entgegen der arbeitgeberischen Vorgabe eine andere Reiseroute als den Direktflug wählt, die höhere Kosten nach sich zieht. Ohnehin herauszurechnen aus der zu entlohnenden Zeit während einer Dienstreise sind „Kofferpacken und Duschen.“ Dies jedenfalls dürfte wenig überraschen. Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gibt Anmerkungen für die nächste Dienstreiseplanung auf und beugt einem bösen Erwachen am auswärtigen Einsatzort vor.