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Krank nach Kündigung – wer zahlt jetzt den Lohn?

Arbeitnehmer müssen eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit spätestens ab dem vierten Tag der Erkrankung mittels einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen. Diesem Attest kommt ein hoher Beweiswert für das tatsächliche Vorliegen einer Erkrankung zu. Allerdings existieren gerade im Falle der Krankheit nach einer Kündigung einige Besonderheiten, die Arbeitnehmer kennen sollten.

1. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Nachweis der Erkrankung

Erkrankte Arbeitnehmer müssen nicht zur Arbeit erscheinen und erhalten trotzdem Lohn – diese grundlegende Regel dürfte wohl jedem Arbeitnehmer bekannt sein. Sie gilt jedenfalls für die ersten sechs Wochen der Krankheit, ehe der Arbeitnehmer anschließend Krankengeld erhält.

Bei kurzen Erkrankungen genügt in der Regel der einfache Hinweis an den Arbeitgeber. Erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit sieht § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz vor, dass dem Arbeitgeber zum Nachweis eine „ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit“ vorzulegen ist. Dem Arbeitgeber steht es allerdings offen, den Nachweis auch schon vor dem vierten Tag zu verlangen.

Bei der Bescheinigung handelt es sich um die sogenannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, häufig auch mit „AU“ abgekürzt. Durch Vorlage der AU kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nachweisen, dass er tatsächlich erkrankt ist.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist damit der gesetzlich vorgesehene Beweis der Arbeitsunfähigkeit. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Arzt als medizinischer Fachmann im Falle der Ausstellung eine Erkrankung tatsächlich festgestellt hat. Mit der AU kommt der Arbeitnehmer seiner Pflicht zum Nachweis der Erkrankung nach und nur dann entsteht sein Anspruch auf Arbeitslohn für die Dauer seiner Erkrankung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (siehe beispielsweise Az.: 5 AZR 149/21) ist der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in der Regel durch Vorlage der gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebenen AU zu erbringen. Sie ist das wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.

2. Was passiert bei Zweifeln des Arbeitgebers an der Erkrankung?

Im Normalfall wird sich der Arbeitgeber mit der Vorlage einer AU zufriedengeben und von einer tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers ausgehen. Das liegt auch daran, dass die Arbeitsgerichte der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Regel einen hohen Beweiswert für das tatsächliche Vorliegen einer Erkrankung zukommen lassen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein Arzt einen Arbeitnehmer nicht unbegründet krankschreibt.

Immer wieder kommt es allerdings vor, dass Arbeitgeber an der Richtigkeit einer AU zweifeln. Das klassische Beispiel stellt der „dauerkranke“ Arbeitnehmer dar, der jedes Jahr viele Wochen unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zur Arbeit erscheint.

Bei solchen Zweifeln an der Richtigkeit einer AU greifen Arbeitgeber daher nicht selten zu folgenden Maßnahmen:

  • Bitte um Stellungnahme zur Erkrankung: Arbeitgeber erkundigen sich meist direkt beim Arbeitnehmer und sogar beim behandelnden Arzt, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Eine Pflicht zur Beantwortung besteht jedoch weder für Arzt noch für Arbeitnehmer.
  • Prüfverfahren des Medizinischen Dienstes: Der Arbeitgeber kann bei berechtigten Zweifeln eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Beseitigung dieser Zweifel verlangen (§ 275 SGB V). Das Gesetz hat dabei beispielhafte Situationen aufgezählt, in denen berechtigte Zweifel anzunehmen sind. Hierzu zählen insbesondere die auffällig häufige oder auffällig häufig nur für kurze Dauer bestehende Arbeitsunfähigkeit, aber auch die häufige Arbeitsunfähigkeit zu Beginn oder Ende einer Woche.
  • Einbehalten von Lohn: Da der Lohnanspruch nur bei Arbeitsunfähigkeit fortbesteht, kann der Arbeitgeber grds. den Lohn einbehalten. Er wird dies dann damit begründen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsfähig war. Dieses Vorgehen ist für den Arbeitgeber jedoch riskant, da der Arbeitnehmer regelmäßig mit einer Klage auf Lohnzahlung reagieren wird. In diesem Fall spricht die AU zunächst für die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
Mit der Lohnzahlungsklage kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitslohnanspruch gegen den Arbeitgeber durchsetzen. Hierfür sind immer die Arbeitsgerichte gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz zuständig.

3. Was gilt bei der Krankmeldung nach einer Kündigung?

Die aufgezeigten Grundsätze zum Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gelten grundsätzlich auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist erkrankt. Auch hier kann der Arbeitnehmer im Regelfall seine Arbeitsunfähigkeit mittels AU beweisen. Er erhält dann innerhalb der ersten sechs Wochen weiter seinen Lohn – auch wenn eine bezahlte Freistellung durch den Arbeitgeber erfolgte.

In der Praxis melden sich Arbeitnehmer allerdings nicht selten im Anschluss an eine eigene oder arbeitgeberseitige Kündigung krank. Dahinter können tatsächliche Erkrankungen körperlicher, aber auch psychischer Art stecken. Insbesondere wenn Mobbing oder ähnliche mental belastende Faktoren Grund für die Kündigung waren, kann die Arbeitsfähigkeit infolge psychischer Erkrankungen eingeschränkt sein.

Teilweise wird die Erkrankung aber einfach nur vorgeschoben: Der Arbeitnehmer hat angesichts der ohnehin ausgesprochenen Kündigung – so jedenfalls seine Vorstellung – keine Konsequenzen von seinem Arbeitgeber zu befürchten. Die perfekte Möglichkeit also, die letzten Arbeitswochen auf Kosten des Arbeitgebers freizunehmen.

Derartige „schwarze Schafe“ sind Arbeitgebern seit jeher ein Dorn im Auge. Insbesondere nach einer Kündigung bezweifeln Arbeitgeber daher deutlich eher die Erkrankung und greifen zu drastischen Mitteln, wie dem Einbehalt des Lohns für die Dauer der Erkrankung. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das Arbeitsverhältnis ist ohnehin gekündigt und beide Parteien sind nicht mehr zwingend auf eine „gesichtswahrende“, einvernehmliche Lösung angewiesen.

Für den Arbeitnehmer, der während dieses Zeitraums kein Gehalt erhält, ist dies besonders ärgerlich. Weigert sich der Arbeitgeber im Anschluss an eine Kündigung den Lohn auszuzahlen, muss der Arbeitnehmer nämlich Lohnzahlungsklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Im Prozess wird dann geklärt, ob der Arbeitnehmer zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich arbeitsunfähig war. Nur dann wäre der Lohnanspruch entstanden.

4. Der Beweiswert der AU im arbeitsgerichtlichen Prozess

Vor dem Arbeitsgericht gelten unter bestimmten Umständen Abweichungen bezüglich der Beweiskraft einer AU. Diese Besonderheiten wurden im Laufe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet.

Hierbei spiele vor allem zwei Faktoren eine bedeutende Rolle:

  1. Zeitliche Dimension: Fallen Kündigung und Arbeitsunfähigkeit zusammen? Ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung exakt auf das Ende des Arbeitsverhältnisses terminiert?
  2. Begleitumstände: Folgte die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar auf eine ausgesprochene Kündigung? Hat der Arbeitnehmer vorab zu erkennen gegeben, nicht mehr zur Arbeit erscheinen zu wollen? Erscheint der Arbeitnehmer bereits am Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses und der Arbeitsunfähigkeit im Betrieb des neuen Arbeitgebers?

Fall 1: Kündigung und Arbeitsunfähigkeit fallen zusammen

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2021 (Az.: 5 AZR 149/21) hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Beweiswert einer unmittelbar im Anschluss an eine Kündigung eingereichten AU zu beschäftigen. Im konkreten Fall kündigte eine Arbeitnehmerin ihren Arbeitsvertrag und teilte telefonisch mit, nicht mehr zu Arbeit zu erscheinen. Noch am Tag der Kündigung reichte sie zudem eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit einer voraussichtlichen Erkrankungsdauer bis zum letzten Tag des laufenden Arbeitsverhältnisses ein. Als Erkrankungsbild wurden psychosomatisch bedingte Bauchschmerzen – also ein eher unspezifisches Krankheitsbild – genannt.

Das BAG hatte infolge des Zusammenfallens von Kündigung und AU, die genau bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses terminiert war, ernsthafte Zweifel am tatsächlichen Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitgeberin war jedoch mangels Informationen nicht dazu in der Lage, den Nachweis zu führen, dass die Arbeitnehmerin tatsächlich nicht erkrankt gewesen war. Da die Arbeitgeberin aber tatsächliche Umstände aufzeigte, die beim Gericht ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der AU begründeten, musste die Arbeitnehmerin nähere Informationen zu ihrer Erkrankung mitteilen. Der Beweiswert der AU war daher im vorliegenden Fall erschüttert.

Im beschriebenen Urteil (Az.: 5 AZR 149/21) hat das BAG Regeln aufgestellt, wann der Beweiswert einer AU im Anschluss an eine Kündigung erschüttert sein kann.

Fall 2: Erkrankung vor Kündigung und anschließend passgenaue AU bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses

In einem im Dezember 2023 entschiedenen Urteil (Az.: 5 AZR 137/23, Pressemitteilung) bestätigte das BAG seine frühere Rechtsprechung und nahm Stellung zu einem anders gelagerten Fall: Nachdem der Arbeitnehmer erkrankt war und eine entsprechende AU eingereicht hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. In der Folge reichte der Arbeitnehmer nach dem Auslaufen des ersten Attests zwei weitere ein, welche passgenau auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses datiert waren.

Auch in diesem Fall sah das BAG den Beweiswert der AU erschüttert. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt. Vielmehr spielt der Zeitraum der AU eine wichtige Rolle. Wird die Arbeitsunfähigkeit bis genau zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses bescheinigt, kann dies den Beweiswert schwächen. Im vorliegenden Fall berücksichtigte das BAG auch, dass der Arbeitnehmer schon am nächsten Tag bei seinem neuen Arbeitgeber zur Arbeit erschien.

5. So können sich Arbeitnehmer bei Zweifeln an ihrer Krankmeldung verteidigen

Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts lassen Arbeitnehmer jedoch nicht schutzlos zurück. Selbst wenn das Gericht berechtigte Zweifel an der Richtigkeit einer AU hat, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Er muss dafür „substantiiert“ – also im Einzelnen und detailliert – darlegen, dass er wirklich arbeitsunfähig war.

Das kann beispielsweise wie folgt geschehen:

  • Er kann genauer zu seiner Erkrankung vortragen: Welche Krankheiten und welche gesundheitlichen Einschränkungen haben vorgelegen? Wie sah die Behandlung durch den Arzt aus und welche Medikamente wurden verschrieben?
Das BAG (Az.: 2 AZR 123/02) hatte diese Möglichkeit des Nachweises auch schon in anderen Konstellationen bejaht, in denen der Beweiswert einer AU erschüttert war. Im konkreten Fall erschien der Arbeitnehmer unter Vorlage einer AU nicht zur Arbeit, nachdem ihm kein Urlaub für den Zeitraum gewährt wurde.
  • Der Arbeitnehmer kann auch seinen behandelnden Arzt als Zeugen benennen. Dem Arzt ist es – eventuell auch unter Rückgriff auf die Patientenakte – möglich, zum Krankheitsbild vorzutragen. Erforderlich ist hierfür allerdings stets, dass er zuvor von seiner Schweigepflicht entbunden wird.

Die Rechtsprechung des BAG zum erschütterten Beweiswert im Falle einer Krankheit nach Kündigung ist ein wichtiger Faktor, den Arbeitnehmer kennen sollten. Wer kündigt und eine Krankheit nur vortäuscht, dem droht der Verlust des Lohnanspruchs.
 
Für Arbeitnehmer, die tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt sind, geben die Entscheidungen des BAG jedoch keinen Anlass zur Sorge: Selbst wenn der Arbeitnehmer im Einzelfall unmittelbar nach einer Kündigung für einen längeren Zeitraum erkrankt, ist er nicht schutzlos gestellt. Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, sollte der behandelnde Arzt als Zeuge benannt werden. Gerade bei längerfristigen Behandlungen wird der Arzt in aller Regel eine oder sogar mehrere gründliche Untersuchungen durchgeführt und protokolliert haben. Der Nachweis des Erkrankungsbildes dürfte dann mit hoher Wahrscheinlichkeit gelingen.

6. Fazit

  • Auch kranke Arbeitnehmer erhalten innerhalb der ersten sechs Wochen ihrer Erkrankung Lohn vom Arbeitgeber. Sie müssen ihre Krankheit mittels einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nachweisen.
  • Insbesondere bei Erkrankung nach einer Kündigung kann der Beweiswert einer solchen AU nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch erschüttert sein, wenn der Arbeitgeber Umstände nachweist, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der AU begründen.
  • Für das Vorliegen derartiger Zweifel spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber kündigt. Der Beweiswert kann sogar erschüttert sein, wenn der Arbeitnehmer schon vor der Kündigung erkrankt ist und anschließend Folgeattests einreicht.
  • Die Richtigkeit einer AU wird regelmäßig dann anzuzweifeln sein, wenn der Zeitraum der AU und derjenige der Kündigungsfrist deckungsgleich sind.
  • Ist der Beweiswert einer AU erschüttert, stehen dem Arbeitnehmer jedoch verschiedene Möglichkeiten offen, den Nachweis seiner Erkrankung auf andere Weise zu führen.
  • Aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht daher für tatsächlich längerfristig erkrankte Arbeitnehmer auch nach einer Kündigung kein Anlass zur Sorge.