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Kündigung und Abfindung wegen Betriebsschließung oder Geschäftsaufgabe

Bei einer Betriebsschließung lässt sich eine Kündigung häufig nicht vermeiden. Doch stehen Sie als Arbeitnehmer nicht zwangsläufig mit leeren Händen da, denn die Kündigung ist oftmals rechtswidrig. Sie haben dann gute Chancen auf eine Abfindung.

  1. Ist eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe zulässig?
  2. Wann ist die Kündigung wegen Betriebsschließung unwirksam?
  3. Abfindung nach einer Betriebsschließung
  4. Was gilt in Kleinbetrieben?
  5. Besonderheiten für Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsräte
  6. Fazit

1. Ist eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe zulässig?

Ja, die Schließung des Betriebs stellt einen zulässigen Kündigungsgrund nach dem Kündigungsschutzgesetz dar. Ihr Arbeitgeber hat damit die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung. Es handelt sich dabei um eine „betriebsbedingte Kündigung“ und die Geschäftsaufgabe gilt als ein sogenanntes dringendes betriebliches Erfordernis.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen:

Ein Betrieb ist eine räumlich-organisierte Einheit als Teil eines Unternehmens, die ihre personellen Angelegenheiten selbst organisiert (nicht etwa über die Zentrale).

Somit können zu einem Unternehmen mehrere Betriebe gehören. Häufig hat ein Unternehmen etwa Niederlassungen an unterschiedlichen Standorten, die eigene Betriebe darstellen.

Für eine Betriebsschließung ist es ausreichend, wenn ein einzelner Betrieb schließt. Eine Schließung des gesamten Unternehmens ist nicht erforderlich. Zudem ist es in der Regel irrelevant, ob die Betriebsschließung aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt notwendig war.

2. Wann ist die Kündigung wegen Betriebsschließung unwirksam?

Viele Kündigungen wegen Geschäftsaufgabe sind angreifbar. Sie haben dann gute Chancen, eine attraktive Abfindung zu erhalten oder an anderer Stelle im Unternehmen weiterbeschäftigt zu werden.

Sind Sie in einem Betrieb mit mehr als 10 Mitarbeitern angestellt und arbeiten länger als 6 Monate in Ihrem Unternehmen, gilt für Sie der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Dieser ist hoch. Deshalb lohnt sich eine genaue Überprüfung einer betriebsbedingten Kündigung in jedem Fall.

Achtung: Ab Zugang der Kündigung haben Sie nur drei Wochen Zeit, um Kündigungsschutzklage zu erheben. Lassen Sie sich von einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht beraten.

Dies sind häufige Gründe für unwirksame Kündigungen wegen Betriebsschließung:

Keine endgültige Betriebsschließung

Eine nur vorübergehende Betriebsschließung berechtigt nicht zur Kündigung.

Beispiel: Ihr Arbeitgeber schließt sein Geschäft aufgrund einer anstehenden Renovierung. Anschließend soll das Geschäft jedoch wieder öffnen. Diese Art der Betriebsschließung berechtigt grundsätzlich nicht zur Kündigung.

Betriebsschließung unsicher

Eine Kündigung aufgrund einer eventuell anstehenden Betriebsschließung ist ebenso ausgeschlossen. Der Betrieb muss vielmehr mit Sicherheit geschlossen werden. Eine vorsorgliche Kündigung ist daher unwirksam.

Beispiel: Der Lebensmittellieferant eines Restaurants kündigt an, seine Zusammenarbeit eventuell beenden zu wollen. Ihr Arbeitgeber hält eine Betriebsschließung somit für möglich und kündigt vorsorglich einigen Mitarbeitern. Ebenso versucht er aber, die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten aufrecht zu erhalten. Eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe ist in diesem Fall ausgeschlossen.

Betrieb soll verkauft werden

Auch der Verkauf eines Betriebes rechtfertigt eine Kündigung nicht. Der neue Eigentümer steigt in das Arbeitsvertragsverhältnis ein. Dies ist sogar gesetzlich in § 613a BGB geregelt.

Insolvenzeröffnung

Meldet der Arbeitgeber Insolvenz an, steht dies einer Betriebsschließung nicht gleich und ist somit kein Grund für eine Kündigung. Spätestens nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens trifft die Entscheidung über eine Kündigung zudem ausschließlich der Insolvenzverwalter. Anderes gilt nur im Falle einer Insolvenz in Eigenverwaltung, bei der die Geschäftsführung im Amt bleibt und weiter über die Geschäfte bestimmen darf.

Verfrühte Kündigung

Die Stilllegung des Betriebes muss mit Ablauf der Kündigungsfrist eintreten. Eine verfrühte Kündigung wegen Betriebsschließung ist unwirksam. Hier lohnt sich ein genauer Blick.

Etappenstilllegung

Besonders fehleranfällig ist die etappenweise Schließung eines Betriebes. Dabei schließt der Arbeitgeber verschiedene Abteilungen nacheinander. In diesem Fall muss er eine Sozialauswahl durchführen und darf nicht einfach die Mitarbeiter der jeweiligen Abteilungen nacheinander kündigen. Die Mitarbeiter aller Abteilungen bilden vielmehr einen Gesamtpool und die Reihenfolge der Kündigung ergibt sich aus der Sozialauswahl. Diese hat zur Folge, dass Ihr Arbeitgeber zunächst die sozial stärkeren Arbeitnehmer kündigen muss.
 
Entscheidende Faktoren bei der Sozialauswahl sind:

  • Alter
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Unterhaltspflichten
  • Etwaige Schwerbehinderung

Freie Stellen im Unternehmen

Die Kündigung wegen Geschäftsaufgabe ist ebenfalls unwirksam, wenn freie Stellen im Unternehmen vorhanden sind.

Zur Erinnerung: Ein Unternehmen kann durchaus aus mehreren Betrieben bestehen. Wenn ein Betrieb schließt, in einem anderen aber passende Stellen frei sind, darf der Arbeitgeber Ihnen grundsätzlich nicht betriebsbedingt kündigen.

3. Abfindung nach einer Betriebsschließung

Möglicherweise möchten Sie im Betrieb nicht weiterarbeiten. In diesem Fall können Sie die unwirksame Kündigung ggf. nach einer Klage im Laufe des Prozesses akzeptieren, haben aber gute Chancen auf eine hohe Abfindung. Eine Abfindung können Sie auf verschiedenem Wege erhalten:

Die Abfindung im Sozialplan

Im Rahmen einer Betriebsschließung beraten der Betriebsrat und der Arbeitgeber die Eckpunkte der Schließung gemeinsam. Ein entscheidender Bestandteil ist dabei der Sozialplan: Dieser soll dem Schutz der Arbeitnehmer dienen und negative Auswirkungen geringhalten. Ein Sozialplan sieht meist auch eine Abfindung für gekündigte Arbeitnehmer vor. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich auf die Höhe einigen.

Als Faustformel dient: Jahre der Betriebszugehörigkeit x halbes Bruttomonatseinkommen

Jedoch können auch das Alter oder Unterhaltspflichten bei der Höhe der Abfindung eine Rolle spielen, wodurch es im Einzelfall zu komplizierteren Abfindungsformeln kommen kann. Maßgeblich ist immer, was im Sozialplan vereinbart wurde.

Kommt keine Einigung zustande, müssen Arbeitgeber und Betriebsrat eine neutrale Einigungsstelle anzurufen. Diese erzwingt einen Sozialplan. Weicht Ihr Arbeitgeber von der Vereinbarung ab, können Sie auf die Abfindung klagen.

Individuelle Vereinbarung

Gibt es in Ihrer Firma keinen Betriebsrat, können Sie nicht auf eine Sozialplanabfindung hoffen, sondern müssen Ihre Abfindung individuell aushandeln. Das erfordert zwar Verhandlungsgeschick, doch Ihr Arbeitgeber wird in der Regel eine Kündigungsschutzklage vermeiden wollen und ist daher zur Zahlung einer Abfindung bereit. Im Gegenzug müssen Sie auf die Erhebung der Klage verzichten oder eine bereits erhobene Klage zurückziehen. Die Kündigung ist dann wirksam.

Beispiel: Ihr Arbeitgeber hat Ihnen gekündigt, weil er den Betrieb schließt, in dem Sie arbeiten. Allerdings sind in anderen Betrieben des Unternehmens noch Stellen frei, auf denen Sie weiterbeschäftigt werden könnten.
 
Wenn Sie gegen die Kündigung klagen, werden Sie sehr wahrscheinlich gewinnen. Ihr Arbeitgeber muss Sie dann wieder einstellen und Sie für die gesamte Dauer des Prozesses (meist viele Monate) nachbezahlen, obwohl Sie gar nicht gearbeitet haben. Deshalb wird er im Prozess wahrscheinlich zur Zahlung einer Abfindung bereit sein, wenn Sie die Klage fallenlassen und so die Kündigung akzeptieren.
 
Das Beispiel zeigt: Je eher die Kündigung für unwirksam erklärt wird, desto höhere Chancen auf eine attraktive Abfindung haben Sie.

Die Abfindung können Sie in einem Vergleich, einem Aufhebungs- oder einem Abwicklungsvertrag festhalten.

Sozialplanabfindung nachverhandeln

Selbst wenn eine Abfindung im Sozialplan vorgesehen ist, kann sich eine individuelle Nachverhandlung lohnen. Das ist immer dann der Fall, wenn Sie eine Klage gegen die Kündigung ohne Weiteres gewinnen würden.

Beispiel: Im Nachhinein stellt sich heraus, dass der Arbeitgeber die Arbeitsagentur nicht rechtzeitig über die Massenentlassung informiert hat. Das war bei der Sozialplanverhandlung noch nicht klar. Sie haben gute Chancen, dass der Arbeitgeber sich nunmehr auf einen höheren Betrag einlässt.
Übrigens: Sie müssen als Arbeitnehmer die Abfindung versteuern. Um im Jahr der Auszahlung der Abfindung einen höheren Steuersatz zu vermeiden, greift die sogenannte Fünftelregelung. Das Finanzamt behandelt die Abfindung so, als sei sie über fünf Jahre ausgezahlt worden. Somit ist Ihre Steuerlast geringer.

4. Was gilt in Kleinbetrieben?

Auch in Betrieben mit 10 oder weniger Mitarbeitern ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung möglich. Hier gilt zwar der allgemeine Kündigungsschutz nicht, die Arbeitnehmer sind jedoch nicht vollkommen ungeschützt:

  • Zum einen darf Ihr Arbeitgeber nicht diskriminierend vorgehen. Insbesondere bei der Betriebsstilllegung in Etappen ist dies relevant. Die Entscheidung, welche Mitarbeiter er zuerst kündigt, darf er nicht aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder Religion treffen.
  • Zum anderen gilt auch in Kleinbetrieben ein Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme. Die Vorgaben sind zwar nicht so streng wie im Rahmen der Sozialauswahl. Dennoch darf Ihr Arbeitgeber nicht offensichtlich die sozial schwächeren Mitarbeiter zuerst kündigen.

5. Besonderheiten für Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsräte

Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsräte genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Eine ordentliche Kündigung ist für diese Gruppen zwar grds. ausgeschlossen, die Betriebsschließung stellt jedoch eine Ausnahme dar:

  • Für Schwangere gilt grundsätzlich ein Verbot der ordentlichen Kündigung. Die Landesbehörde kann aber in bestimmten Fällen Ausnahmen zulassen. Dazu zählt auch eine Betriebsschließung.
  • Der Kündigung von Schwerbehinderten muss grundsätzlich das Integrationsamt zustimmen. Dazu ist die Behörde grundsätzlich angehalten, wenn der Betrieb dauerhaft schließt und die Kündigungsfrist mind. drei Monate beträgt.
  • Betriebsräte dürfen frühestens zum Zeitpunkt der Betriebsschließung entlassen werden; die Kündigungsfrist darf also nicht vorher auslaufen. Sie sind somit „die letzten, die gehen“. So ist es in § 15 Abs. 4 KSchG geregelt.

6. Fazit

  • Eine Betriebsschließung stellt grundsätzlich einen zulässigen Kündigungsgrund dar.
  • Viele Kündigungen wegen Geschäftsaufgabe sind angreifbar. Arbeitnehmer haben dann gute Chancen auf eine attraktive Abfindung oder auf Weiterbeschäftigung an anderer Stelle im Unternehmen.
  • Ab Zugang der Kündigung verbleiben nur drei Wochen, um gegen die Kündigung zu klagen. Danach ist Ihre Stelle endgültig verloren.
  • Bei einer Etappenstillegung muss Ihr Arbeitgeber eine Sozialauswahl treffen, die sehr fehleranfällig ist.
  • Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsräte genießen zwar einen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung wegen Betriebsschließung stellt jedoch eine Ausnahme dar.
  • In Betrieben mit zehn oder weniger Mitarbeitern sind Sie weniger gut geschützt; es besteht aber ein Mindestschutz und die Prüfung der Kündigung lohnt sich trotzdem.