1. Was ist ein Gemeinschaftsbetrieb?
Einfach gesprochen liegt ein Gemeinschaftsbetrieb vor, wenn mehrere Arbeitgeber gemeinsame Sache machen und in einem Betrieb zusammen tätig werden. Beispiele sind Gemeinschaftspraxen und Bürogemeinschaften. Aber auch in der Industrie kommen Gemeinschaftsbetriebe häufig vor, um Kosten durch gemeinsame Fertigungsschritte einzusparen. Ein weiteres klassisches Beispiel kann eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) im Baubereich sein, die zur Fertigstellung eines Bauprojekts gebildet wird.
Der Gemeinschaftsbetrieb ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liegt ein Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen vor, wenn diese irgendwie rechtlich miteinander verbunden sind und
Die beteiligten Unternehmen müssen sich also zur gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben (sog. Führungsvereinbarung). Dies muss nicht zwingend schriftlich vereinbart sein. Es genügt, dass die Unternehmen entsprechend agieren. Allerdings müssen beide den Gemeinschaftsbetrieb führen. Es ist nicht ausreichend, wenn nur einer der beiden Arbeitgeber den Personaleinsatz steuert und die Betriebsmittel nutzt.
Allein dass beide Unternehmen demselben Konzern angehören und daher unter dieser gemeinsamen Leitung stehen, genügt nicht. Die Leitungsbefugnis der Konzernmutter ist unmittelbar nämlich an die Unternehmensleitung gerichtet, nicht an die einzelnen Arbeitnehmer.
Zudem müssen materielle und immaterielle Betriebsmittel gemeinsam genutzt werden. Das kann zum Beispiel in Form der gemeinschaftlichen Benutzung von Computern, Fertigungsmaschinen oder Räumlichkeiten der Fall sein.
Übrigens kann ein Gemeinschaftsbetrieb auch vorliegen, wenn die beteiligten Unternehmen dies gar nicht beabsichtigen. Es kommt nur auf die nach außen erkennbaren Umstände an.
- Bündelung von Arbeitgeberfunktionen (Arbeitsanweisungen, Dienstpläne, arbeitgeberübergreifende Teams)
- Gemeinsame Personalabteilung, Lohnbuchhaltung oder Arbeitsräume
- Gemeinsames Sekretariat
- Internetauftritt mehrerer Unternehmen als ein einheitlicher Arbeitgeber
- Einheitlicher Auftritt von Mitarbeitern gegenüber Kunden
- Geschäftsführer in Personalunion
- Nutzung derselben Räume
- Aufeinander abgestimmte, gemeinsame Urlaubsplanung
Im Hinblick auf den Kündigungsschutz im Gemeinschaftsbetrieb gelten ebenfalls Besonderheiten, weil das Kündigungsschutzrecht betriebs- und nicht unternehmensbezogen ist: Die für den Kündigungsschutz maßgebliche Organisationseinheit ist der Betrieb (hier also der Gemeinschaftsbetrieb).
2.1 Kündigungsschutzgesetz eher anwendbar
Arbeitnehmer sind vor ordentlichen Kündigungen besonders geschützt durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dieses ist allerdings nicht auf sog. Kleinbetriebe anwendbar (sog. Kleinbetriebsklausel): Grundsätzlich sind Betriebe mit regelmäßig zehn oder weniger Arbeitnehmern vom allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG befreit. Kündigungen werden hier daher nur sehr eingeschränkt von den Gerichten überprüft. Unwirksam sind sie erst, wenn sie zum Beispiel willkürlich oder sittenwidrig erscheinen.
Bei einem Gemeinschaftsbetrieb werden die hier beschäftigten Arbeitnehmer hinsichtlich dieses Schwellenwerts zusammengerechnet.
Es liegt grundsätzlich am Arbeitnehmer zu beweisen, dass ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt. Die Anforderungen daran sind allerdings vergleichsweise gering. Er muss lediglich die äußeren Umstände schlüssig darlegen, die im konkreten Fall für einen Gemeinschaftsbetrieb sprechen (siehe unter anderem die oben genannte Indizien).
2.2 Weiterbeschäftigung im ganzen Betrieb unmöglich?
Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung ist nur wirksam, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb nicht adäquat weiter beschäftigt werden kann.
2.3 Sozialauswahl
Betriebsbedingte Kündigungen erfordern zudem, dass der Arbeitgeber die zu kündigenden Arbeitnehmer richtig auswählt (sog. Sozialauswahl). Dabei hat er nach dem KSchG folgende soziale Gesichtspunkte zwingend zu berücksichtigen:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- Lebensalter,
- Unterhaltspflichten,
- Schwerbehinderung
Bei einem Gemeinschaftsbetrieb sind in die Sozialauswahl alle vergleichbaren Arbeitnehmer der beteiligten Unternehmen miteinzubeziehen. Die Sozialauswahl findet also unternehmensübergreifend statt, auch wenn die betreffenden Arbeitnehmer jeweils mit unterschiedlichen Unternehmen Arbeitsverträge geschlossen haben. Das gilt allerdings nicht mehr, wenn die betriebsbedingte Kündigung erfolgt, weil der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst wird. Die Sozialauswahl erstreckt sich dann nur auf die Teile des Betriebs, die dem jeweiligen Arbeitgeber nach der Auflösung zugeordnet werden.
2.4 Anhörung des Betriebsrats
Sofern ein Betriebsrat besteht, muss dieser wie gewöhnlich angehört werden, bevor der Arbeitgeber kündigt. Er hat sich dafür an den Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs zu wenden. Da in größeren Unternehmen häufig mehrere Betriebsräte existieren, kommt es hier schnell zur Verwechslung.
3. Fazit
Mit einem Gemeinschaftsbetrieb will der Arbeitgeber Kosten reduzieren. Allerdings profitieren auch Arbeitnehmer, weil sich die Voraussetzungen für eine Kündigung verschieben:
- Im Gemeinschaftsbetrieb können auch Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießen, deren Arbeitgeber für sich genommen nicht die Schwellenwerte des KSchG erreichen.
- Die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen muss sich in der Regel auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer im Gemeinschaftsbetrieb beziehen.
- Die betriebsbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zumindest beim anderen Arbeitgeber des Gemeinschaftsbetriebs besteht.