1. Fristgerechte Kündigung wegen Alkohols
Grundsätzlich ist eine Kündigung nur mit Kündigungsfrist möglich. Bei einer solchen Kündigung spricht man von einer „ordentlichen“ oder „fristgerechten“ Kündigung.
Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer jedoch nicht grundlos kündigen, da die meisten Arbeitnehmer durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geschützt werden. Dieses fordert, dass die Kündigung durch bestimmte Gründe gerechtfertigt ist.
Im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol können die personen- oder verhaltensbedingte Kündigung relevant werden, wobei zwischen der Alkoholsucht und dem bloßen Alkoholmissbrauch zu unterscheiden ist.
Personenbedingte Kündigung wegen Alkoholsucht
Ist der Arbeitnehmer psychisch oder physisch vom Alkohol abhängig, kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Dabei liegt der Kündigungsgrund zwar in der Person des Arbeitnehmers, dieser kann den Kündigungsgrund jedoch nicht willentlich steuern. Andere Beispiele dafür sind Wegfall einer Arbeitserlaubnis, Haft oder andauernde Krankheit.
Ist der Alkoholkonsum des Arbeitnehmers so weit fortgeschritten, dass es sich bereits um eine Alkoholsucht bzw. -abhängigkeit handelt, so stellt dies eine Krankheit im medizinischen Sinne dar. Von krankhaftem Alkoholismus spricht man, wenn der Arbeitnehmer aufgrund körperlicher und psychischer Abhängigkeit nicht aufhören kann zu trinken, selbst wenn er es wollte. Er kann daher seinen Alkoholkonsum in diesem Fall schlicht nicht willentlich steuern.
Die größte Klippe in der Praxis ist natürlich der Beweis der Abhängigkeit den grundsätzlich der Arbeitgeber erbringen muss. Der Arbeitnehmer muss jedenfalls nicht an routinemäßigen Blutuntersuchungen teilnehmen, um seine Abhängigkeit auszuschließen. Etwas anderes gilt lediglich in Berufen, für die solche Tests vom Gesetz vorgeschrieben sind.
Eine Krankheit allein ist jedoch kein Kündigungsgrund. Die krankhafte Alkoholabhängigkeit muss sich auch negativ auf die Arbeit des Arbeitnehmers auswirken.
Eine Kündigung ist darüber hinaus nur möglich, wenn eine negative Prognose besteht. Insbesondere bei langjährigen Mitarbeitern ist davon in der Regel nur auszugehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgefordert hat, sich einer Entziehungskur zu unterziehen. Erst wenn der Arbeitnehmer eine solche verweigert oder rückfällig geworden ist, besteht die Gewissheit, dass die Alkoholabhängigkeit endgültig und ein ungestörtes Arbeitsverhältnis unmöglich ist. Bei starken Suchtanzeichen ist allerdings auch ohne diese Indizien von einer negativen Prognose auszugehen.
Verhaltensbedingte Kündigung wegen Alkoholmissbrauchs
Kann der Arbeitnehmer den Alkoholkonsum noch steuern, kommt allenfalls eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Im Gegensatz zur Alkoholabhängigkeit handelt es sich hier um bloßen Alkoholmissbrauch, der aber noch nicht die Schwelle zur Sucht überschritten hat.
Der Arbeitnehmer kann in der Theorie nicht bloß deshalb gekündigt werden, weil er am Arbeitsplatz alkoholisiert ist oder sich wegen eines alkoholbedingten „Katers“ krankmeldet. Vielmehr muss er damit seine Pflichten verletzen, was in der Praxis bei einem alkoholisierten Arbeitnehmer jedoch regelmäßig der Fall sein wird.
Beispiele für mögliche Pflichtverletzungen sind:
- Es besteht ein ausdrückliches und striktes Alkoholverbot. Zugunsten des Arbeitnehmers kann aber zu bewerten sein, dass der Arbeitgeber in der Kantine selbst alkoholische Getränke anbietet.
- Schlechte Arbeitsleistung
- Nachlassendes Reaktionsvermögen
Ein strengerer Maßstab gilt jedoch für Berufe, die mit einem erheblichen Gefahrenpotential für den Arbeitnehmer oder Dritte verbunden sind. Besteht hier die berechtigte Befürchtung, dass der Arbeitnehmer Unfallverhütungsvorschriften nicht mehr beachtet, so ist eine Kündigung möglich. Ein solcher Beruf ist beispielsweise der des Berufskraftfahrers. Diese sind im Verkehr unterwegs und müssen dafür einstehen, dass sie jederzeit angemessen reagieren können und andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden. Unabhängig von einem ausdrücklichen Alkoholverbot genügt hier schon die bloße Alkoholisierung (es kommt sogar häufig schon die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein).
Die verhaltensbedingte Kündigung hat für den Arbeitnehmer den „Vorteil“, dass sie in aller Regel nicht ohne vorherige Abmahnung wirksam ist. Das ist die ernsthafte Mitteilung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, dass er sein Verhalten nicht länger dulden werde und bei weiteren Pflichtverletzungen eine Kündigung erfolge. Der Arbeitnehmer bekommt so häufig also eine „zweite Chance“.
Eine Abmahnung ist jedoch entbehrlich, wenn
- die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers besonders schwer wiegt
Beispiel I: Arbeitnehmer A ist als Berufskraftfahrer angestellt. Trotz Alkoholverbots fährt A leicht alkoholisiert (0,64 Promille) und verursacht einen Unfall. Sein Arbeitgeber kündigt ihm daraufhin ohne Abmahnung fristgerecht. Selbst eine geringe Alkoholisierung schränkt die Reaktionsmöglichkeiten des Fahrers ein. Auch verstieß A gegen das Alkoholverbot. Die Alkoholisierung eines Berufskraftfahrers ist ein so schwerwiegender Pflichtverstoß, dass es einer Abmahnung nicht bedarf.
Beispiel II: Arbeitnehmer B war schwer alkoholisiert und hat deshalb beim Umgang mit Betriebsmaschinen einen erheblichen Schaden verursacht.
- oder keinen Erfolg verspricht, z.B. weil der Arbeitnehmer uneinsichtig ist.
Auch den bloßen Missbrauch von Alkohol muss der Arbeitgeber beweisen. Er ist auf Indizien angewiesen (schräger Gang, Alkoholgeruch,…). Zu einem Blut- oder Atemalkoholtest kann der Arbeitnehmer nämlich nicht gezwungen werden.
Kaum Kündigungsschutz im Kleinbetrieb und in der Probezeit
Das Kündigungsschutzgesetz ist nur in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern anwendbar. Das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestehen. In kleineren Betrieben und in der Probezeit greift das Kündigungsschutzgesetz daher nicht, sodass es auf obige Kündigungsvoraussetzungen nicht ankommt und der Arbeitgeber bis auf einige Sondervorschriften (z.B. Mutterschutz) grundsätzlich freie Hand hat. Die Kündigung darf allerdings nicht willkürlich sein, was bei Alkoholkonsum aber kaum der Fall sein wird.
2. Fristlose Kündigung wegen Alkohols
Dem Arbeitnehmer kann jedoch nicht nur mit Frist ordentlich gekündigt werden, sondern auch fristlos. Bei einer sofortigen fristlosen Kündigung spricht man von einer „außerordentlichen“ Kündigung (§ 626 BGB).
Da diese den Arbeitnehmer schwerer trifft als eine Kündigung mit Kündigungsfrist, muss ein wichtiger Kündigungsgrund bestehen. Das ist der Fall, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber unzumutbar ist. Die Unzumutbarkeit wird wiederum durch eine Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmt.
Die außerordentliche Kündigung unterscheidet sich daher von der ordentlichen Kündigung durch die Schwere des Kündigungsgrundes. Der bloße Alkoholmissbrauch des Arbeitnehmers ist zumeist für sich genommen kein wichtiger Kündigungsgrund, sondern lediglich ein Kündigungsgrund im Rahmen einer ordentlichen Kündigung bzw. Grund für eine Abmahnung. Entscheidend ist daher stets der Einzelfall. Vor allem wenn zur Alkoholisierung schwerwiegende Pflichtverletzungen hinzutreten, kann ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegen.
Beispiel: Arbeitnehmer A erscheint schwer betrunken zur Arbeit. Als sein Arbeitgeber ihn darauf anspricht, schlägt der A ihm ins Gesicht, zertrümmert eine Fensterscheibe und beleidigt einige Kollegen.
In diesem Beispiel treten zur Alkoholisierung des A noch mehrere Straftaten und ungebührliches Verhalten hinzu. Dem Arbeitgeber wäre es nicht mehr zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Er kann dem A daher fristlos kündigen.
Das LAG entschied, dass die Kündigung rechtmäßig sei. A übe einen Beruf aus, der mit erheblichen Gefahren für ihn und seine Kollegen einhergehe.
Ein anderes Beispiel ist die fristlose Kündigung wegen Alkohols gegenüber einem Berufskraftfahrer. Ist er während der Arbeit angetrunken oder verliert er (in der Freizeit) wegen Trunkenheit seinen Führerschein, kann ihm grundsätzlich fristlos gekündigt werden.
Ein wichtiger Kündigungsgrund kann auch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer alkoholisiert eine erhebliche Gefahr darstellt.
Auch im Rahmen der außerordentlichen Kündigung ist eine negative Prognose erforderlich. Daher muss der Arbeitnehmer auch hier grundsätzlich abgemahnt werden. Wie schon im Rahmen der verhaltensbedingten Kündigung kann die Abmahnung in manchen Fällen aber entbehrlich sein.
3. Kündigung wegen Drogen
Bei anderen Drogen handelt es sich wie bei Alkohol um Rauschmittel. Grundsätzlich gelten daher die obigen Ausführungen zur Kündigung hier ebenfalls. Bei einer Drogensucht kommt die personenbedingte Kündigung, beim bloßen Drogenkonsum die verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.
Es gibt jedoch einen Unterschied: Alkohol ist legal, während die meisten anderen Drogen aufgrund ihrer Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit verboten sind.
Daher kann bereits der bloße Konsum von Drogen insbesondere während der Arbeitszeit zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Abhängig von der Droge und der Tätigkeit wird es sich sogar um einen wichtigen Kündigungsgrund handeln, der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt. Das kann selbst dann gelten, wenn die Drogen nur in der Freizeit eingenommen wurden.
Hierzu folgender Beispielsfall vor dem BAG (Az.: 6 AZR 471/15): Arbeitnehmer A war als LKW-Fahrer beschäftigt. Außerhalb seiner Arbeitszeit konsumierte er Amphetamin und Methamphetamin („Crystal Meth“). Kurze Zeit später erbrachte er fehlerfrei seine Arbeit. Am Ende seiner Strecke wurde er von der Polizei kontrolliert und positiv auf Drogen getestet. Sein Arbeitgeber kündigte ihn mit sofortiger Wirkung.
Das BAG entschied, dass die fristlose Kündigung wirksam sei. Durch die Einnahme der Drogen gefährde der Arbeitnehmer den Straßenverkehr und habe das Vertrauen seines Arbeitgebers verloren. Hierbei spiele es auch keine Rolle, dass die Fahrtüchtigkeit des A gar nicht konkret beeinträchtigt sei, da der Drogenkonsum schon allein eine massive Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit darstelle.
Außerhalb sicherheitsrelevanter Tätigkeiten wird das einfache „Kiffen“ o.ä. in der Freizeit regelmäßig keinen Grund zur Kündigung geben. Das lässt sich allerdings nur sagen, soweit sich der Konsum in keiner Weise während der Arbeitszeit bemerkbar macht.
4. Reicht schon der Verdacht aus?
Möchte der Arbeitgeber wegen Drogen- oder Alkoholkonsums kündigen, liegt es grundsätzlich an ihm, diese Umstände zu beweisen. Scheitert er daran, ist die Kündigung unwirksam.
Unter engen Voraussetzungen genügt allerdings bereits ein entsprechender Verdacht:
- Sollte der Verdacht zutreffen, muss er eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
- Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht sprechen. Gerüchte oder ein „Bauchgefühl“ reichen nicht aus.
- Der Arbeitgeber muss den Sachverhalt so weit wie möglich ermitteln. Zwingend erforderlich ist, dass er den Arbeitnehmer zu den Vorwürfen anhört. Daran scheitern viele Verdachtskündigungen. Weitere Informationen zur Verdachtskündigung finden Sie hier.
5. Gibt es eine Abfindung?
Ein Anspruch auf Abfindung besteht nach einer Kündigung wegen Alkohol- oder Drogenkonsums nicht. Fällt es dem Arbeitgeber aber schwer, den Vorwurf zu beweisen, kommt es im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor Gericht häufig zu einem sog. Vergleich. Dieser beendet den Prozess ohne Urteil. In der Regel erhält der Arbeitnehmer dann eine einmalige Zahlung, die als Abfindung verstanden werden kann. Allerdings verliert er auch seinen Arbeitsplatz.
6. Fazit
- Die ordentliche Kündigung (mit Frist) des Arbeitnehmers bedarf eines Kündigungsgrunds und kann bei Alkoholkonsum personen- oder verhaltensbedingt erfolgen.
- Eine personenbedingte Kündigung erfolgt, wenn der Arbeitnehmer krankhaft alkoholabhängig ist.
- Eine verhaltensbedingte Kündigung ist hingegen bei bloßem Alkoholmissbrauch einschlägig, wenn dieser sich negativ auf die Arbeit des Arbeitnehmers auswirkt. Grundsätzlich ist vor der Kündigung abzumahnen.
- Liegt ein besonders wichtiger Kündigungsgrund vor, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, kann der Arbeitnehmer auch ohne Frist außerordentlich gekündigt werden. Auch hier ist vorher häufig eine Abmahnung erforderlich.
- Besonders kritisch ist der Alkoholkonsum, wenn der Arbeitnehmer in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeitet. Dann ist schnell eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt.
- Diese Grundsätze gelten auch für den Konsum anderer Drogen. Je nach Härte der Droge und der beruflichen Tätigkeit genügt schon der bloße Konsum in der Freizeit.
- Unter Umständen kann schon wegen des bloßen Verdachts gekündigt werden. Dazu muss der Arbeitnehmer zuvor allerdings angehört werden.
- Ein Anspruch auf Abfindung besteht nach einer Kündigung wegen Alkohol oder Drogen nicht. Eventuell wird der Kündigungsprozess aber mit einer einmaligen Zahlung beendet.