- Was ist Mobbing am Arbeitsplatz?
- Welche Besonderheiten bestehen beim „Bossing“?
- Müssen Betriebsrat oder Arbeitgeber einschreiten?
- Wann kann der Arbeitgeber dem Mobbenden kündigen?
- Unter welchen Voraussetzungen ist eine Eigenkündigung wegen Mobbing möglich?
- Welche weiteren Rechte haben Opfer?
- Fazit
- Häufige Fragen
1. Was ist Mobbing am Arbeitsplatz?
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bedeutet Mobbing
Nicht jedes Verhalten, das gemeinhin als „Mobbing“ bezeichnet und empfunden wird, entspricht auch dieser juristischen Definition.
Beispiel: Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass diese Vorwürfe einer Pflegekraft noch kein Mobbing im Rechtssinne darstellen (3 Sa 1/02):
- Okt. 2000: Geburtstagskuchen der Klägerin sei in der Küche in eine Ecke gestellt worden und vertrocknet.
- Dez. 2000: Die Vorgesetzte habe der Klägerin ohne Grund eine Pampers aus der Hand gerissen.
- Dez. 2000: Die Mitarbeiterinnen A und B hätten der Klägerin nicht Lagerungshilfe geleistet.
- Jan. 2001: Die Vorgesetzt habe zur Klägerin, die sie wegen des Urlaubsplanes angesprochen habe, gesagt: „Ich bespreche gar nichts mehr mit dir“. Weiter habe sie zu ihr gesagt: “Was machst Du hier schon? Was tust Du hier schon für uns?“
- April 2001: Die Vorgesetzte habe Kollegen der Station 1 aufgefordert, einen Antrag auf Versetzung der Klägerin zu unterzeichnen.
Der wichtigste Unterschied zur Umgangssprache besteht darin, dass ein systematisches Vorgehen erforderlich ist. Vereinzelte herablassende Bemerkungen oder einzelne Scherze auf Kosten eines anderen überschreiten die Schwelle grundsätzlich nicht.
Beispiel: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ging in diesem Fall einer Sekretärin von Mobbing aus (10 Sa 933/19):
- Der Arbeitgeber verbietet ihr, Kontakt mit anderen Mitarbeitern im Büro aufzunehmen. Ein sachlicher Grund dafür ist nicht ersichtlich.
- Die Sekretärin soll SAP-Daten verwalten, erhält aber keinen Zugriff auf Outlook und kein Telefon (anders als alle vergleichbaren Mitarbeiter).
- Die gesamte Abteilung zieht aus der 5. Etage um. Allein die betreffende Mitarbeiterin verbleibt ohne Begründung.
- Als einzige der Abteilung wird die Betroffene nicht zum Public Viewing sowie zur Weihnachtsfeier eingeladen.
Betroffene Arbeitnehmer sollten bedenken, dass sie die Beweislast tragen. Sie müssen also beweisen können, dass sie tatsächlich gemobbt wurden. Deshalb ist es ratsam, eine Art Tagebuch über die einzelnen Verhaltensweisen zu führen. So kann untermauert werden, dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt, sondern um ein systematisches Vorgehen. Idealerweise bittet man auch einen Kollegen, ein Auge auf solches Verhalten zu haben, damit dieser die Angaben bestätigen kann.
2. Welche Besonderheiten bestehen beim „Bossing“?
Geht das Mobbing nicht von Arbeitskollegen, sondern von Vorgesetzten aus, spricht man von „Bossing“. Hier ergeben sich weitere Abgrenzungsschwierigkeiten, denn Vorgesetzter und betroffener Arbeitnehmer stehen in einem gewissen Über-/Unterordnungsverhältnis. Der Vorgesetzte übt für den Arbeitgeber das sogenannte Direktionsrecht aus, indem er seine Abteilung oder sein Team leitet und einzelnen Mitarbeitern konkrete Anweisungen gibt.
Nutzt der Arbeitgeber in zulässiger Weise sein Direktionsrecht, stellt dies kein Mobbing dar. Die Zuweisung einer bestimmten Aufgabe oder das Ausüben von berechtigter Kritik an der Arbeitsleistung sind also grundsätzlich zulässig. Wenn die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind, hat der Arbeitgeber außerdem das Recht, zu kündigen oder eine Abmahnung auszusprechen.
Beispiel: Ein IT-Mitarbeiter sieht sich wegen folgender Umstände gemobbt:
- Er soll Daten der Festplatte eines Geschäftsführers kopieren, obwohl auch private Daten darauf enthalten sind. Ein anderer Geschäftsführer droht arbeitsrechtliche Konsequenzen an, wenn der Arbeitnehmer sich weigern sollte.
- Der Arbeitgeber zahlt während einer Krankheit zunächst weniger Entgeltfortzahlung aus, als der Arbeitnehmer beansprucht. Hintergrund sind Differenzen über die Pflicht zur Entgeltfortzahlung.
- Der Arbeitnehmer hatte Inhalte der gerichtlichen Auseinandersetzung veröffentlicht. In der Folge wird sein E-Mail-Account gesperrt und sein Diensthandy entzogen.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass diese und weitere ähnliche Anweisungen kein Mobbing darstellen. Insbesondere fehlte es an der schikanösen Tendenz (LAG Rheinland-Pfalz, 1 Sa 189/15).
Die Grenze zum Mobbing ist aber grundsätzlich überschritten, wenn unberechtigte Kritik geübt wird, um den Arbeitnehmer in seiner persönlichen Ehre herabzusetzen. Auch rechtfertigt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers zwar Kritik, aber natürlich keine Beleidigungen. Außerdem wird man in der Regel von Mobbing sprechen können, wenn der Vorgesetzte den Arbeitnehmer bewusst völlig unter- oder überfordert, um ihn gezielt zu schikanieren.
3. Müssen Betriebsrat oder Arbeitgeber einschreiten?
Betriebsrat
Gemobbte Arbeitnehmer können eine Beschwerde an den Betriebsrat richten, in der sie das Mobbingverhalten beschreiben. Der Betriebsrat ist nach § 75 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet, die freie Persönlichkeitsentfaltung der Arbeitnehmer zu schützen. Er ist dann befugt, die Entlassung von Arbeitnehmern zu verlangen, die auf bestimmte Weise wiederholt und ernstlich den Betriebsfrieden stören (§ 104 Betriebsverfassungsgesetz). Weigert sich der Arbeitgeber, kann der Betriebsrat dies sogar auf dem Klageweg durchsetzen.
Arbeitgeber
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gegenüber eine Fürsorgepflicht. Aus dieser folgt im Fall des Mobbings, dass er erforderliche Maßnahmen zur Beendigung der Schikanen ergreifen muss. Was genau zu tun ist, richtet sich nach der Intensität der Beeinträchtigung:
- Zunächst wird der Arbeitgeber sich selbst ein Bild davon machen müssen, wie sich das Mobbing bemerkbar macht. Dazu kann er etwa mit Arbeitskollegen sprechen. Außerdem bietet sich gelegentlich ein gemeinsames Gespräch zwischen Täter, Opfer und Arbeitgeber an.
- Ändert der Mobbende das Verhalten nicht, kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen.
- Wenn keine mildere Maßnahme erfolgsversprechend ist, kann der Arbeitgeber sogar verpflichtet sein, dem Mobber zu kündigen (s.u.).
- Möglicherweise kann dem Opfer zuvor eine andere Stelle angeboten werden, bei der Kontakt mit der mobbenden Person vermieden wird. Ebenso kommt die Versetzung des Mobbers in Betracht.
4. Wann kann der Arbeitgeber dem Mobbenden kündigen?
Der Arbeitgeber ist in Extremfällen verpflichtet, dem „Täter“ wegen Mobbings zu kündigen. Aber auch in weniger gravierenden Fällen kommt eine Kündigung in Betracht. Der Arbeitgeber MUSS dann zwar nicht kündigen, KANN es aber.
In der Regel ist notwendig, dass er den Arbeitnehmer zunächst wegen des Mobbings abmahnt. Bei geringfügigen Vorwürfen sind sogar mehrere Abmahnungen nötig. Auf der anderen Seite darf der Arbeitgeber gleich zur Kündigung greifen, wenn das Fehlverhalten ganz besonders schwer wiegt.
In diesen Fällen kommt sogar oft eine fristlose Kündigung in Betracht. In allen anderen Konstellationen scheidet der Entlassene hingegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist aus dem Betrieb aus.
5. Unter welchen Voraussetzungen ist eine Eigenkündigung wegen Mobbing möglich?
Hilft all dies nicht, kann der Arbeitnehmer zur Not selbst kündigen.
Fristgerechte Kündigung
Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich die Kündigungsfrist einhalten. Diese beträgt in der Regel 4 Wochen zum 15. des Monats oder zum Monatsende, wenn nicht etwas anderes im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag geregelt ist. Für diese ordentliche Kündigung muss der Arbeitnehmer keinen Grund anführen.
Das bedeutet jedoch auch, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich noch verpflichtet ist, für die verbleibende Zeit zur Arbeit zu erscheinen. Etwas anderes kann sich allenfalls daraus ergeben, dass das Mobbing bereits gesundheitliche Folgen hatte und ein Arzt deshalb eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt.
Fristlose Kündigung
Will der Arbeitnehmer sofort aus dem Betrieb ausscheiden, kann er dies nur im Wege einer fristlosen Kündigung erreichen. Dafür ist allerdings – im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung – ein Kündigungsgrund erforderlich. Genauer gesagt muss ein sog. wichtiger Grund vorliegen. Dies ist der Fall, wenn es dem Arbeitnehmer nicht einmal zuzumuten ist, die Kündigungsfrist abzuwarten. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind die Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber abzuwägen.
Letztlich geht es also um besonders schwere Pflichtverletzungen durch den Arbeitgeber.
- Diese können etwa darin liegen, dass er selbst an dem Mobbing mitwirkt („Bossing“).
- Eine weitere Möglichkeit ist, dass der betroffene Arbeitnehmer bereits den Arbeitgeber um Unterstützung gegen das Mobbing durch Arbeitskollegen gebeten hat, dieser jedoch keinerlei Maßnahmen ergreift.
Die Hürden für eine außerordentliche, fristlose Kündigung liegen hoch. Deshalb ist es anzuraten, zuvor Kontakt mit dem Arbeitgeber aufzunehmen und wiederholt zu versuchen, diesen zu einer Lösung zu bewegen. Wenn dies nicht hilft, sollte ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht kontaktiert werden.
Arbeitnehmer sollten unbedingt diese zwei Tipps beachten:
- Warten Sie nicht zu lange! Eine außerordentliche Kündigung ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Beginn des Mobbings möglich. Ab welchem Zeitpunkt diese Frist zu laufen beginnt, ist allerdings nicht leicht zu bemessen. Denn wie oben erwähnt, spricht man erst bei systematischen Anfeindungen von Mobbing. Die Frist beginnt daher erst mit Überschreiten dieser schwer zu bestimmenden Schwelle. Hier lohnt ein rechtzeitiges Gespräch mit einem Anwalt.
- Legen Sie keinesfalls einfach die Arbeit nieder. Notwendig ist ein förmliches Kündigungsschreiben. Vorher sollten Sie genau prüfen lassen, ob Sie zur fristlosen Kündigung berechtigt sind. Andernfalls sind Sie unter Umständen zu Schadensersatz verpflichtet.
6. Welche weiteren Rechte haben Opfer?
- Eventuell werden durch das Mobbing auch Straftatbestände verwirklicht. So kann zum Beispiel in stark ehrverletzenden Äußerungen durch Arbeitskollegen eine Beleidigung zu sehen sein. In dem Fall ist eine Strafanzeige möglich.
- Unter Umständen kann das Opfer Schadensersatzansprüche gegen Arbeitgeber und/oder mobbende Arbeitskollegen haben. Dies wäre etwa denkbar, wenn durch das Mobbing ein gesundheitlicher Schaden entstanden und zum Beispiel eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich geworden ist. Dann kann ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Behandlung, möglicherweise sogar auf Schmerzensgeld bestehen.
- Unter Umständen muss der Arbeitgeber Lohn nachzahlen, den der Arbeitnehmer ohne seine fristlose Eigenkündigung noch verdient hätte. Dies kommt meist für den Zeitraum von einigen Wochen in Betracht.
7. Fazit
- Verhaltensweisen, die umgangssprachlich als Mobbing beschrieben werden, müssen nicht unbedingt auch im rechtlichen Sinne als Mobbing gelten.
- Der Arbeitgeber hat die Pflicht, gegen Mobbing einzuschreiten. Er kann etwa verpflichtet sein, mit dem mobbenden Arbeitnehmer zu sprechen. Äußerstenfalls muss er zur Abmahnung oder Kündigung des Mobbers greifen.
- Auch der Betriebsrat kann verpflichtet sein, etwas gegen das Mobbing zu unternehmen.
- Der gemobbte Arbeitnehmer kann natürlich auch selbst kündigen. Einen Grund dafür muss er nur dann nachweisen, wenn er fristlos kündigen möchte.