1. Erlaubte Videoüberwachung im Betrieb
Beim Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz treffen unterschiedliche und gegensätzliche Interessen aufeinander:
- Zum einen haben Sie als Arbeitnehmer auch während der Arbeit ein Recht am eigenen Bild, das grundgesetzlich geschützt ist.
- Zum anderen hat der Arbeitgeber stets das Interesse, seine Räumlichkeiten im Blick zu behalten. Auch dieses Recht ist grundgesetzlich über das Eigentumsrecht und das Recht auf Berufsfreiheit geschützt.
Unter Umständen kann eine Kameraüberwachung im Betrieb deshalb erlaubt sein. Dafür kommen verschiedene Konstellationen in Betracht. Zu unterscheiden ist insbesondere zwischen der Überwachung in öffentlich zugänglichen Räumen und in nicht öffentlichen Räumen. Zudem macht es einen Unterschied, ob offen oder verdeckt überwacht wird.
Kameraüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen
In öffentlich zugänglichen Räumen darf Ihr Arbeitgeber zunächst die offene Videoüberwachung einsetzen, wenn dies zur Wahrnehmung des Hausrechts erforderlich ist.
Beispiel: Die Arbeitgeberin überwacht die Zugänge zu ihren Fabriken mit Videokameras.
Auch andere „berechtigte Interessen“ erlauben dem Arbeitgeber den Einsatz von Kameras:
Beispiele:
- Eine Bank installiert Kameras, die auf jeden einzelnen Kundenschalter in der Filiale gerichtet sind. So soll Überfällen vorgebeugt werden.
- Auf den Verkaufsflächen eines Kaufhauses werden Kameras aufgestellt, um Diebstahl vorzubeugen.
- Überwachung eines großen Hafengeländes, um LKW möglichst sinnvoll zu koordinieren und Hindernisse (z.B. liegengebliebene Fahrzeuge) schnell zu erkennen (LAG Schleswig-Holstein, NZA-RR 2013, 577).
Man spricht von einer „offenen“ Videoüberwachung, wenn Ihnen als Arbeitnehmer frühestmöglich mitgeteilt wird, wo und warum die Überwachung durchgeführt wird. In der Regel geschieht dies durch entsprechende Hinweisschilder.
So weit, so abstrakt. Wann genau und in welcher Weise Videokameras genutzt werden dürfen, hängt aber stark vom Einzelfall ab:
Beispiele:
- Ladendiebstähle können theoretisch auch durch Taschen- und Personenkontrollen verhindert werden. Allerdings ist diese Maßnahme meist deutlich weniger effektiv.
- Ggf. genügt es, dass der Arbeitgeber bloß filmt und keine Aufzeichnung erstellt.
Zum anderen sind Ihre Interessen mit denen des Arbeitgebers abzuwägen. Folgende Fragen spielen dabei eine Rolle:
- Wie gut sind Sie auf den Bildern zu erkennen? Bleiben Sie anonym, spricht dies eher für die Zulässigkeit der Videoüberwachung im Betrieb.
- Wie hoch ist die Bildfrequenz?
- In welcher Situation werden Sie erkannt? Lassen sich durch die Bilder klare Rückschlüsse auf Ihre Arbeitsleistung ziehen, ist die Überwachung kritischer zu sehen.
- Kann gezoomt werden?
- Wie lange und wie wahrscheinlich sind Sie der Überwachung ausgesetzt? Je mehr von Ihrem Arbeitsalltag aufgezeichnet wird, desto gewichtigere Gründe muss der Arbeitgeber für die Überwachung nennen können.
Deutlich strengere Auflagen gelten für die verdeckte Überwachung. Grund dafür: Sie können sich der Videobeobachtung nicht entziehen, da Sie nichts von ihr wissen. Eine verdeckte Überwachung ist deshalb nur zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung besteht. Dafür reicht es aber nicht aus, wenn der Arbeitgeber nur die Gefahr sieht, dass eine Straftat in seinem Geschäft geschieht. Er benötigt vielmehr konkrete Hinweise auf eine begangene Straftat.
Beispiele:
- Zeugenhinweise von Kunden oder Mitarbeitern
- Regelmäßige Fehlbestände (z.B. in der Kasse oder dem Vorrat), die sich nicht erklären lassen.
Kameraüberwachung in nicht öffentlich zugänglichen Räumen
In nur für Mitarbeiter zugänglichen Räumen gelten noch strengere Vorgaben, weil der Kreis der Überwachten hier begrenzt und dem Arbeitgeber bekannt ist.
Dort müssen Sie als Arbeitnehmer grundsätzlich keine Videoüberwachung dulden, weil Sie sich in den genannten Räumen eher privat verhalten als im Dienst Ihres Arbeitgebers stehen.
In anderen Räumen ist die Videoüberwachung nicht ausgeschlossen – allerdings unterliegt sie hohen Anforderungen. Eine offene Videoüberwachung ist demnach zulässig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Arbeitgebers erfolgt.
Beispiele:
- Kontrolle technischer Abläufe auf einem Förderband.
- Vereinfachte Kommunikation von Arbeitsfortschritten arbeitsteiliger Prozesse.
- Präventive Sicherung besonders sensibler Gerätschaften oder Güter.
- Aufklärung fortgesetzter Straftaten durch Mitarbeiter
Auch hier müssen diese Interessen des Arbeitgebers denen der Beschäftigten gegenübergestellt werden. Nur wenn die Überwachung erforderlich und angemessen ist, um die festgelegten Zwecke zu erreichen, ist sie erlaubt. Folgende Gründe können etwa dagegensprechen:
- Der Arbeitgeber verdächtigt allein einen Mitarbeiter; eine Überwachung der gesamten Belegschaft kann daher zur Aufklärung unverhältnismäßig sein.
- Die Überwachung von Produktionsabläufen ist so zu gestalten, dass möglichst keine Mitarbeiter zu erkennen sind.
- Videoüberwachung allein zur Leistungskontrolle ist in aller Regel nicht zulässig (erst recht nicht als Dauerüberwachung).
Die strengsten Voraussetzungen gelten für die verdeckte Kameraüberwachung nicht öffentlicher Räume. Klassischer (und nahezu einziger) Grund für den verdeckten Einsatz von Kameras ist die Aufklärung von Straftaten oder schweren Vergehen gegen den Arbeitgeber. Man kann sich merken: „Heimliche Vergehen lassen sich auch nur heimlich aufklären.“ Gerade bei verdeckter Überwachung nicht-öffentlicher Räume gilt, dass der Kameraeinsatz das letzte Mittel sein muss. Auch hier muss schon ein erhärteter Verdacht vorliegen, damit die Überwachung erlaubt ist.
2. Beteiligung des Betriebsrats
Bevor der Arbeitgeber Kameras aufstellt, muss er den Betriebsrat einschalten. Dies folgt aus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über IT-Systeme.
Arbeitgeber und Betriebsrat verhandeln und besprechen die Details der Videoüberwachung im Betrieb:
- Wo genau werden die Kameras platziert?
- Welche Art von Technik soll verwendet werden?
- Zu welchem Zwecke erfolgt die Überwachung?
- Wer hat Zugriff auf die Aufnahmen?
All das ist Thema der Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Das Ergebnis wird in einer sogenannten
Betriebsvereinbarung festgehalten, die den Einsatz der Kameras im Unternehmen regelt.
3. Was passiert mit den Aufnahmen?
Allgemein gilt, dass die Aufnahmen gelöscht werden müssen, sobald sie für ihren Zweck nicht mehr erforderlich sind.
Wenn die Kameras also mit dem Ziel installiert wurden, eine Straftat oder eine schwere Pflichtverletzung aufzuklären, sind die Aufnahmen zu entfernen, sobald sie sich für die Ermittlung als bedeutungslos erwiesen haben oder die Tat aufgeklärt wurde. Ein allgemeines „Verfallsdatum“ für die Aufbewahrung von Videoaufzeichnungen gibt es hingegen nicht.
Das Bundesarbeitsgericht widersprach dem. Sofern sich aus rechtmäßig erstellten Aufnahmen der Verdacht eines Pflichtverstoßes ergibt, dürfen diese auch verarbeitet und genutzt werden. Der Arbeitgeber darf deshalb grundsätzlich alle Daten des Arbeitnehmers speichern und verwenden, die er benötigt, um sie in einem potenziellen Rechtsstreit zur Wirksamkeit einer Kündigung als Beweise vorbringen zu können.
Zwar ist der Arbeitgeber verpflichtet, das gesamte Bildmaterial zeitnah zu sichten. Dies dient aber allein dazu, die – eindeutig – nicht zweckrelevanten Ausschnitte zu erkennen und zu löschen. Selbst wenn der Arbeitgeber irrelevante Aufnahmen nicht zeitnah löscht, hat das keinen Einfluss auf die relevanten Ausschnitte der Videoaufnahme. Diese dürfen weiterhin gespeichert bleiben.
Das Bundesarbeitsgericht betont außerdem, dass der betroffene Mitarbeiter wenig schutzwürdig ist. Er selbst hat Anlass für die Aufnahmen gegeben, indem er Straftaten gegen seinen Arbeitgeber verübt hat. Die Aufnahmen dürfen daher grundsätzlich gespeichert bleiben, solange die gerichtliche Verfolgung noch möglich ist.
4. Folgen einer unerlaubten Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Gegen eine unrechtmäßige Kameraüberwachung im Betrieb können Sie sich wie folgt wehren:
- Zum einen stehen Ihnen unter Umständen Schadensersatzansprüche zu. Grund dafür ist die Verletzung Ihres Persönlichkeitsrechts.
- Zum anderen könnten es sein, dass die Aufzeichnungen einem Verwertungsverbot unterliegen. Sie dürfen dann vor Gericht (z.B. nach einer Kündigung) nicht verwendet werden. Dies führt für den Arbeitgeber meist dazu, dass er das Verfahren verliert.
- Unter Umständen hat die unerlaubte Überwachung der Mitarbeiter für den Arbeitgeber sogar strafrechtliche Konsequenzen. Das kann etwa der Fall sein, wenn vertrauliche Gespräche abgehört oder diese sogar mit Ton aufgezeichnet wurden. Dann drohen eine Geldstrafe oder sogar bis zu drei Jahren Haft.
5. Fazit
- Eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz muss immer begründet sein und es gelten hohe rechtliche Anforderungen.
- Entweder muss eine gesetzliche Erlaubnis oder eine Einwilligung der Beteiligten gegeben sein, damit die Videoüberwachung zulässig ist. Je nachdem, ob die Räume öffentlich zugänglich sind und ob die Überwachung heimlich erfolgen soll, gelten unterschiedlich strenge Vorgaben.
- Vor der Installation der Kameras muss die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt werden.
- Je nach Zweck können die erhobenen Daten auch zu einem späteren Zeitpunkt noch verwendet werden, zum Beispiel zur Begründung einer Kündigung.