Landesarbeitsgericht Hessen, Beschluss vom 10.08.2018, 8 Ta 248/18 – Arbeitszeugnis – Vollstreckbarkeit und Anforderungen
1. Thematik und Problemfelder
Im Wege einer Kündigungsschutzklage kann, sofern am Ende ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wird, hierin ein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis vereinbart werden.
Auch über den Inhalt können in dem Vergleich bereits Vorgaben enthalten sein, an denen der Arbeitgeber das Zeugnis des ausscheidenden Arbeitnehmers ausrichten muss. Dann liegt eine Vereinbarung über ein qualifiziertes Arbeitszeugnis vor.
Dies ist nicht immer ganz unproblematisch. Arbeitgeber sind nicht immer gewillt, eine gute beziehungsweise angemessene Bewertung in das Zeugnis einfließen zu lassen. Da der Weg zur Bewertung auch immer über die konkreten Formulierungen führt, ist im Einzelfall genau auf diese zu schauen. Es herrscht Unsicherheit über die Vorgaben an ein qualifiziertes Zeugnis, weshalb manche Streitigkeiten um Arbeitszeugnisse zum Arbeitsgericht führen.
Zur zulässigen Form und zur Formulierung des Arbeitszeugnisses meldete sich nun das Landesarbeitsgericht Hessen mit einer Entscheidung vom 10.08.2018 zu Wort.
2. Inhalt des Zeugnisses
Zu einem qualifizierten Zeugnis gehören etwa die genaue Firmenbezeichnung des Arbeitgebers, Ort und Datum der Ausstellung sowie die Unterschrift des Ausstellers. Jedes
Arbeitszeugnis endet mit der eigenhändigen Unterschrift des Arbeitgebers oder des für ihn handelnden Vertreters.
- 109 Absatz 2 GewO schreibt vor, dass nichts die Aussage des Arbeitszeugnisses entwerten oder Anlass zu sonstigen negativen Schlussfolgerungen geben darf. Da mittlerweile Computerprogramme regelmäßig mit einer Rechtschreibkontrolle ausgestattet sind, erstreckt sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Zeugnis ohne Schreibfehler.
Solche Rechtschreibfehler sind somit leicht vermeidbar. Treten sie dennoch auf, lassen sie annehmen, der Aussteller des Zeugnisses könnte sich – durch bewusste Unsorgfältigkeit –
vom dessen Inhalt distanzieren.
Das Datum auf dem Arbeitszeugnis sollte zumindest zeitnah im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen. Ist das auf einem Geschäftsbogen vorhandene automatische Adressfeld ausgefüllt, könnte man aber denken, dass das Zeugnis nicht zeitnah und damit erst nach einem Streit erteilt worden sein könnte.
3. Zum Sachverhalt
Die beklagte Arbeitgeberin hatte mit dem klagenden Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich geschlossen. Dieser enthielt unter anderem die Verpflichtung der Arbeitgeberin, an den Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis zu versenden:
„…
- Der Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollend qualifiziertes Endzeugnis mit jeweils „guter“ Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie einer dementsprechenden Dankes- Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel zu erteilen und zu übersenden.
…“
Da der Kläger geltend machte, er habe das Zeugnis nicht erhalten, wurde gegen die Beklagte gerichtlich ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000,00 (ersatzweise ein Tag Zwangshaft für je € 100,00) festgesetzt.
Die Beklagte bestritt, dass sie das Zeugnis nicht übersandt hätte. Ein nicht unterschriebenes Arbeitszeugnis reichte sie dem Gericht nach. In diesem Exemplar hieß es unter anderem:
„Herr A, geboren am xx.xx.1981 in …, war vom 01012017 bis 14082017 als Mitarbeiter im Bereich Industriekletterer in unserem Unternehmen beschäftigt.
[…]
Die Muster GmbH ist ein Automobilzulieferer mit Sitz in Musterstadt.
…“
Nach Einleitung eines Verfahrens zur Einforderung des Zeugnisses sandte der beklagte Arbeitgeber das Arbeitszeugnis des klagenden Arbeitnehmers an das Gericht.
Fraglich war für das Arbeits- und Landesarbeitsgericht nun, ob dies den Ansprüchen an ein Arbeitszeugnis genügt.
4. Zeugnis wurde Anforderungen nicht gerecht
An die genannten Inhaltsvorgaben hielt sich das erteilte Arbeitszeugnis nicht.
Das auf dem Geschäftsbogen vorhandene Adressfeld war ausgefüllt. Schon im ersten Satz stand anstelle des Geburtsortes ein Leerzeichen.
Die Schreibweise der Jahreszahlen war uneinheitlich. So hieß es bei der Beschäftigungsdauer „01012017 bis 14082017“, während das Geburtsdatum des Klägers – in üblicher Form – mit „xx.xx.1981“ genannt worden ist.
Negative Schlussfolgerungen konnte der Leser des Zeugnisses nach Ansicht des Gerichts auch aus dem zweiten Absatz ziehen. In diesem ist, ohne erkennbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis, von der „Muster GmbH“ mit Sitz in „Musterstadt“ die Rede. Dies passt an dieser Stelle erkennbar nicht zum übrigen Text.
Im dritten Absatz wird die Groß- und Kleinschreibung nicht beachtet („montieren“ anstatt „Montieren“).
Das Zeugnis endete ohne Unterschrift und Datum. Damit wurde der Beweiswert des Zeugnisses massiv beeinträchtigt.
Das Gericht befand: Aus diesen achtlos oder gleichgültig verfassten Zeilen könnten sich Leser denken, dass es die Absicht des Verfassers war, sich für sie erkennbar von dem Inhalt des Zeugnisses abzurücken und die Aussagen zu dem Leistungs- und Führungsverhalten des Klägers zu entwerten. Das Zeugnis ist damit offensichtlich nicht dazu geeignet, auf dem Arbeitsmarkt als eine übliche Bewerbungsunterlage zu dienen und kann den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses nicht erfüllen.
5. Bedauerns-, Dank- und Gute-Wünsche-Formel
Am Ende des Zeugnisses ist eine sogenannte „Bedauerns-, Dank- und Gute-Wünsche-Formel“ üblich. Auch diese muss allerdings im Vergleich vereinbart worden sein, damit man sie beanspruchen kann.
Wie bei dem Wort „gut“ sind aber verschiedene Formulierungen möglich, mit denen sich „Dank“, „Bedauern“ sowie „gute Wünsche“ in Worte fassen lassen.
So kann eine Danksagung etwa mit den Adjektiven „groß“, „herzlich“ oder auch nur der Steigerungsform „sehr“ ausgedrückt werden. Der Dank kann im Arbeitsverhältnis etwa auf den Einsatz des Mitarbeiters, seine Leistungen oder auch seine Zusammenarbeit gerichtet sein.
Auch ein „Bedauern“ kann mit unterschiedlichen Adjektiven – zum Beispiel: „groß“, „tief“, „aufrichtig“ – formuliert werden.
In der „Gute-Wünsche-Formel“ wird häufig zwischen Wünschen für die berufliche und solchen für die private Zukunft unterschieden.
Unter einer „Gute-Wünsche-Formel“ verstehen viele auch, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die berufliche Zukunft „weiterhin viel Erfolg“ wünscht.
Das Gericht kam im vorliegenden Fall zu dem Schluss, dass sich die Parteien nicht auf bestimmte oder bestimmbare sprachliche Wendungen festgelegt hätten.
Somit konnte es nicht entscheiden, ob ein Anspruch des Klägers auf eine bestimmte Wortwahl bei der „Bedauerns-, Dank- und Gute-Wünsche-Formel“ besteht.
6. Zusammenfassung
Arbeitszeugnisse sind sehr komplex. Vor allem kommt es auf den Wortlaut an. Hierbei ist stets sorgfältig „zwischen den Zeilen“ zu lesen. Das Landesarbeitsgericht Hessen hat in diesem Urteil darüber entschieden, wann ein Zeugnis den Ansprüchen dieser Formulierungen nicht gerecht wird. Dies ist demnach anzunehmen, sofern die Rechtschreibung beziehungsweise die Formulierung des Zeugnisses auf Unsorgfältigkeit des Arbeitgebers hindeutet.
Weiter müssen gewisse Anforderungen wie die Angabe des Datums, Namens und Informationen über das Leistungsangebot des Arbeitgebers gewahrt sein.
Während aus dem Urteil hervorgeht, dass das gegenständliche Arbeitszeugnis der Form bereits nicht gerecht wurde, lässt es Spielraum für den Ausdruck hinsichtlich einer vereinbarten „Bedauerns-, Dank- und Gute-Wünsche-Formel“.
*Die maskuline Form soll im Folgenden stellvertretend für sämtliche Geschlechter stehen. Auf die Nennung weiterer Geschlechter wird jeweils aus Gründen der Lesbarkeit des Textes verzichtet.